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Was macht Qualitätstransparenz aus?

08.01.2014 16:11
Deutschlands Gesundheitssystem steht vor zwei großen Herausforderungen. „Die Kosten steigen stärker an als unsere Leistungsfähigkeit, und wir beobachten erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den Leistungserbringern“ stellt das Beratungsunternehmen The Boston Consulting Group im aktuellen White Paper fest. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten: Eine Steuerung des Gesundheitssystems nur über Kosten sei nicht ausreichend. Länder, die Qualitätstransparenz in den Mittelpunkt stellten und eine Infrastruktur dafür aufbauten, hätten aber die beste Qualität und die höchste Effizienz.

Grundvoraussetzung für einen Qualitätswettbewerb sei eine umfassende Qualitätstransparenz anhand patientennaher, verständlicher Outcomes-Daten für jedes Krankenhaus, davon sind  die Unternehmensberater überzeugt. Sie sind außerdem der Auffassung, dass zur direkten Vergleichbarkeit von Krankenhäusern ein bundesweites Ranking-Portal aufgebaut werden sollte, das die Qualitätsergebnisse jedes Krankenhauses patientenfreundlich darstellt. Einen sehr guten Ausgangspunkt bildeten dabei die vorhandenen Daten der gesetzlichen Qualitätssicherung („AQUA-Indikatoren“).

Die Verfasser des White Paper gehen unter anderem der Frage nach, was genau Qualitätstransparenz bedeutet. Aus ihrer Sicht beruht diese im Wesentlichen auf drei Erfolgsfaktoren, die eine breite Bekanntheit und Akzeptanz der zugrunde liegenden Qualitätsbewertung bei Patienten, Ärzten und weiteren Akteuren im Gesundheitswesen sicherstellen.

Erfolgsfaktor 1: Patientenrelevante Indikatoren

Patientenrelevanz sei gegeben, wenn Kennzahlen gemessen werden, die für den Patienten von großer Bedeutung sind, schreiben die Autoren. Dabei seien kurz- und langfristige Ergebniskennzahlen wichtig, um die Qualität einer Behandlung messbar zu machen. Außerdem sollten Indikatoren gewählt werden, die für den Patienten tatsächlich von Interesse sind.

Beim Prostatakarzinom beispielsweise sei dies nicht der PSA-Wert, sondern die Angabe, ob es nach einer Operation zu Inkontinenz oder Impotenz kommt. Patientenrelevanz beinhalte auch eine Strukturierung der Daten, die nicht notwendigerweise den klinischen Leistungsbereichen (z. B. Implantation der Hüft-Endoprothese) entspreche, so die Experten, sondern dem Krankheitsbild des Patienten folge (also Hüftgelenksarthrose). Somit würde sichergestellt, dass der Patient mit seiner Erkrankung im Mittelpunkt der Qualitätserhebung steht, und nicht wissenschaftliche Aspekte der Ärzteschaft.

Bei der Identifikation der richtigen Kennzahlen könne die so genannte Porter-Hierarchie der medizinischen Ergebnismessung als hilfreiches Instrument dienen, so die Verfasser weiter. Diese gliedere die Messung in folgende Bereiche:
• Erreichtes Ergebnis der Behandlung: Welchen Gesundheitszustand erreicht der Patient wieder?
• Ablauf der Behandlung: Welche möglichen Komplikationen gibt es auf dem Weg dorthin?
• Nachhaltigkeit der Behandlung: Wie lange hält das Ergebnis der Behandlung an?
Zur Umsetzung dieser „Drei-Stufen-Logik“ hat The Boston Consulting Group zusammen mit der Harvard Business School/USA und dem Karolinska-Institut/Schweden das International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) gegründet. ICHOM legt nach Angaben der Gründer besonderen Wert auf Relevanz und Verständlichkeit der Indikatoren für den Patienten sowie die Implementierung einer verlässlichen Risikoadjustierung.

Erfolgsfaktor 2: Patientenfreundliche Veröffentlichung

Qualitätstransparenz setze ferner voraus, dass dem Patienten die ermittelten Qualitätsdaten auch an die Hand gegeben werden, um ihm eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Hierfür sei es wichtig, Qualitätsunterschiede zwischen den Krankenhäusern klar zu benennen. Die erhobenen Qualitätsdaten müssen verständlich und leicht zugänglich sein, so die BCG-Experten. Krankenkassen sollte es ermöglicht werden, ihre Versicherten über die Qualitätsunterschiede zwischen Krankenhäusern zu informieren und Hinweise auf qualitativ hochwertige Krankenhäuser geben zu dürfen, fordern sie außerdem. Die „patientenfreundliche Veröffentlichung“ werde dann als Katalysator für eine verstärkte Orientierung der Kliniken an der Ergebnisqualität dienen. Darüber hinaus könnten die öffentlich-rechtlichen Akteure im Gesundheitswesen diesen Prozess durch eine gezielte Informationspolitik fördern, schlagen die Berater der Boston Consulting Group vor.

Erfolgsfaktor 3: Förderung der Qualitätskultur

Eine frühzeitige Einbeziehung der Ärzte und weiterer Gesundheitsberufe sei bereits bei der Definition der Qualitätskennzahlen entscheidend, betonen die Verfasser. So lege ICHOM bei seiner Arbeit großen Wert auf diesen Aspekt und beziehe bei der Definition der Kennzahlen international anerkannte Mediziner, Fachgesellschaften und wichtige Patientenorganisationen ein. Dadurch werde „die Akzeptanz dieser Maßnahmen gesichert und ein Weg hin zu einer Qualitätskultur im Krankenhaus geebnet“. Ein pragmatischer Ansatz würde mit der Erhebung zunächst weniger bereits bekannter Qualitätskennzahlen beginnen, heißt es weiter im White Paper, die Ausbildung einer Qualitätskultur sollte von Ärzten und Krankenhäusern selbst ausgehen. Instrumente auf dem Weg dorthin können laut Autoren Peer-Reviews, Qualitätszirkel und Best-Practice-Sharing sein.

BCG weist in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass es wichtig ist, zu Beginn ein Bloßstellen von Kliniken mit niedriger Ergebnisqualität zu vermeiden. Daher könne es sinnvoll sein, neue Kennzahlen zunächst innerhalb der Ärzteschaft und Krankenhäuser für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren miteinander zu vergleichen, um notwendiges Vertrauen aufzubauen und mögliche Schwächen der Messverfahren zu korrigieren.

Ausgabe 01 / 2014