Sie sind hier: Startseite Nachrichten Baden-Württemberg: Erste Ergebnisse der Studie über Corona bei Kindern

Baden-Württemberg: Erste Ergebnisse der Studie über Corona bei Kindern

17.06.2020 09:21
Eine vom Land beauftragte Studie zeigt, dass Kinder anscheinend seltener an COVID-19 erkranken und auch seltener durch das SARS-CoV-2-Virus infiziert werden. Mit den Studien-Ergebnissen können politische Entscheidungen auf aktuellste wissenschaftliche Expertise gestützt werden, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

„Ich freue mich, dass wir heute die Öffentlichkeit detailliert über die Ergebnisse der vom Land in Auftrag gegebenen Studie zur Rolle von Kindern bei der Verbreitung des Coronavirus ins Bild setzen können“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats am Dienstag, 16. Juni 2020. „Besonders wichtig war und ist mir, dass wir mit den Ergebnissen der Studie unsere politischen Entscheidungen auf die aktuellste wissenschaftliche Expertise stützen können. Und das, was wir verantworten können, werden wir auch dringend tun, denn für viele Kinder und ihre Eltern ist die derzeitige Situation eine erhebliche Belastung“, betonte Kretschmann.

Politische Entscheidungen auf aktuellste wissenschaftliche Expertise stützen

Vor acht Wochen hatte die Landesregierung eine Screening-Studie in Auftrag gegeben, an der sich die vier Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm beteiligt haben. Dabei untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund 2.500 Kinder im Alter von einem bis zehn Jahren und jeweils ein zugehöriges Elternteil, also insgesamt rund 5.000 Studienteilnehmende, um festzustellen, ob zum Zeitpunkt der Testung eine unbemerkte Infektion mit SARS-CoV-2 vorlag oder die Testpersonen bereits Antikörper nach einer überstandenen, aber unbemerkt gebliebenen Coronavirus-Infektion gebildet hatten.

Im Untersuchungszeitraum von 22. April bis 15. Mai 2020 war unter den untersuchten Eltern-Kind-Paaren aktuell ein Elternteil-Kind-Paar infiziert. 64 Getestete hatten Antikörper gebildet und weitgehend unbemerkt eine Corona-Infektion durchlaufen, was einer Häufigkeit von 1,3 Prozent entspricht. Unter den 64 Getesteten befanden sich 45 Elternteile und 19 Kinder, der Unterschied in der Antikörper-Bildung zwischen Kindern und Erwachsenen ist also statistisch hoch signifikant. Kinder zwischen 1 und 5 Jahren waren mit 7 Fällen (von 1.122) noch seltener antikörper-positiv als ältere Kinder zwischen 6 und 10 Jahren (12 Fälle von 1.358).

Kinder seltener an COVID-19 erkrankt und durch SARS-CoV-2-Virus infiziert

„Die Frage der Öffnung der Kitas, Kindergärten und Schulen ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz und Dringlichkeit. Sehr gerne tragen die Kolleginnen und Kollegen an allen vier Universitätskliniken des Landes auf wissenschaftlicher Grundlage zur Klärung dieser Frage bei“, so Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich, Abteilungsleiter Virologie am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg und Dekan der Medizinischen Fakultät. „Als wichtigste Ergebnisse zeigt die vorläufige Auswertung der Studie, dass in den untersuchten Familien nur eine geringe Zahl von Infektionen stattgefunden hat und Kinder anscheinend nicht nur seltener an COVID-19 erkranken, was schon länger bekannt ist, sondern auch seltener durch das SARS-CoV-2-Virus infiziert werden.“

Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm, betonte. „In einer beispielhaften Zusammenarbeit der Universitätsklinika des Landes haben wir in kurzer Zeit Erkenntnisse über das Infektionsgeschehen bei Kindern unter 10 Jahren gewonnen: eine sehr niedrige Rate aktueller und stattgehabter Infektionen, wobei Kinder gegenüber Eltern seltener betroffen sind.“

Gewinnbringende Kooperation und herausragende Forschungsleistungen der Unikliniken

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer würdigte die Leistung der vier Universitätskliniken im Land: „In beeindruckender Geschwindigkeit wurde das Design der Studie entwickelt, wenige Tage später startete bereits die Probennahme bei Eltern und Kindern. Dass die Ergebnisse bereits jetzt, nach wenigen Wochen, vorliegen, ist eine großartige Leistung und zeugt von der gewinnbringenden Kooperation und den herausragenden Forschungsleistungen an allen vier Universitätsmedizin-Standorten. Um einschätzen zu können, ob und welche Rolle Kinder bei der Verbreitung von Covid-19 spielen, haben unsere Unikliniken mit ihrem Ansatz einen wertvollen Baustein für die weltweite Forschung und den weiteren Erkenntnisgewinn geliefert.“ Die Studie sei auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eng Politik und Wissenschaft im Kampf gegen das Corona-Virus zusammenarbeiten.

Auch Ministerpräsident Kretschmann dankte den Wissenschaftlern für die Bereitschaft, schon vor Fertigstellung der Fachpublikation die Landesregierung und die Öffentlichkeit zu informieren: „Mir ist bewusst, dass dieser Takt für wissenschaftliche Forschung ungewöhnlich und anspruchsvoll ist. Auch dank dieser schnellen Bereitstellung der Ergebnisse können die Kindertagesstätten und Grundschulen schon bald eine neue Phase starten. Damit haben wir die Möglichkeit, den neuen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen bis zu den Sommerferien noch einen Monat lang genau zu beobachten und auch durch Tests zu begleiten. Die gewonnenen Erkenntnisse werden uns helfen, uns intensiv auf das neue Schul- und Kindergartenjahr ab September vorzubereiten. Denn die fürsorgliche Betreuung und der Unterricht im direkten Miteinander sind uns ebenso wichtig wie die Gesundheit der Kinder und der Betreuungs- und Lehrkräfte.“

Studie über Corona bei Kindern

Die Studie war von der baden-württembergischen Landesregierung im April 2020 beauftragt worden. Sie trägt auch die Kosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Die Probensammlung lief vom 22. April bis zum 15. Mai. Insgesamt liegen die Daten von 2.466 Kindern zwischen 1 und 10 Jahren sowie von jeweils einem Elternteil vor, also insgesamt 4.932 Probanden.

Die Ergebnisse sowie das methodische Vorgehen lassen sich in einem Paper nachlesen, das die beteiligten Forscher heute online verfügbar gemacht haben. Damit soll Wissenschaftlern, aber auch der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, die getroffenen Aussagen nachzuvollziehen und zu bewerten, noch bevor die wissenschaftliche Abschlusspublikation vorliegt.