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Frühe Nutzenbewertung im Bereich Epilepsie: Zwischen Bewertungspraxis und Versorgungsalltag

03.06.2016 11:48
Das AMNOG will die Versorgung mit den wirksamsten Arzneimitteln ermöglichen, die Wirtschaftlichkeit sowie die Kosteneffizienz der Preise und Verordnungen von Arzneimitteln steigern und auch verlässliche Rahmenbedingnungen für Innovationen schaffen. Doch nach Einschätzung von Georg Wager, General Manager des Pharmaunternehmens Eisai, zeichneten sich zwischen der Bewertungspraxis und Versorgungsrealität Differenzen ab, die sich gerade auf die Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen wie der Epilepsie besonders deutlich auswirkten.

Konkret sei der Zugang zu Antiepileptika mit neuem oder selektivem Wirkmechanismus für Patienten in Deutschland erschwert, die nach den Kriterien der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) pharmakoresistent sind, d.h. bei denen unter Gabe von mindestens zwei geeigneten Antiepileptika in Mono- oder Kombinationstherapie keine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werden konnte.

Auch für das 2012 zugelassene Antiepileptikum Perampanel ("Fycompa") hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keinen Zusatznutzen anerkannt. Perampanel verfügt über einen First-in-Class-Behandlungsansatz, der die selektive Blockade postsynaptischer Glutamatrezeptoren vom Typ AMPA ermöglicht. Die Zulassung zur Zusatztherapie fokaler Anfälle basiert auf den Ergebnissen von drei randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-III-Zulassungsstudien (n = 1.478).

Seit der Markteinführung wurden geschätzt mehr als 6.000 Epilepsie-Patienten in Deutschland mit Perampanel behandelt. Praxisstudien zeigten zudem, dass das innovative Antiepileptikum bei einem Anteil von 15 % zuvor hoch therapierefraktärer Patienten sogar Anfallsfreiheit ermöglichte. Dennoch wurde für Perampanel in zwei Entscheidungen sowohl im März 2013 als auch im November 2014 aus formalen methodischen Gründen kein Zusatznutzen anerkannt. Daraufhin stellte Eisai nach eigenen Angaben auf eigene Kosten die Versorgung der bereits auf Perampanel eingestellten Patienten über ein Importprogramm sicher, bis das Verfahren zum 1. April 2016 auf etablierte Importverfahren gemäß § 73 Abs. 1 AMG umgestellt wurde.

Eisai kritisiert, dass die im Rahmen der durch den G-BA festgelegten „zweckmäßigen Vergleichstherapie" die bislang durchgeführten Bewertungsvorgänge auf der Basis von bereits abgeschlossenen oder weit fortgeschrittenen Entwicklungsprogrammen vorgenommen wurden, die den Herstellern keine Anpassung der klinischen Studien hinsichtlich der gewünschten „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ oder Endpunkte gestatteten.

Darüber hinaus sei der Nachweis des „Zusatznutzens“ ist im Bereich Epileptologie nicht mit den üblichen methodischen Ansätzen, die der G-BA erwartet, zu führen, da Epilepsien in ihrem Ursprung sehr heterogen sind, Patienten unterschiedlich auf die Behandlung mit Antiepileptika reagieren und das Therapieansprechen auf die jeweilige Substanz nicht vorhersagbar ist, erklärt das Unternehmen.

Außerdem führe die Inkongruenz zwischen den Anforderungen einer Zulassung einerseits, die von Zulassungsbehörden wie der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geregelt werden, und den Bewertungsmaßstäben des G-BA andererseits, nach Auffassung von Wager auch zu den zahlreichen Negativ-Beschlüssen des G-BA. Bei einem Anteil von 11,9 % ging der G-BA-Beschluss „Zusatznutzen nicht belegt“ auf formale Gründe (kein oder unvollständiges Dossier), bei 13,4 % auf inhaltliche Gründe (auf Basis der Bewertung und Abwägung der Studienevidenz) und bei einer Mehrheit von 74,5 % auf Inkongruenz, d.h. Abweichungen zwischen der verfügbaren Studienevidenz und Anforderungen des IQWiG bzw. G-BA zurück.

Damit wurden die eingereichten Studien in vielen Fällen bereits von vornherein als „nicht bewertungsrelevant eingestuft“, gab Wager zu bedenken: „Bei einem Großteil der Beschlüsse ohne Zusatznutzen wurde die verfügbare Evidenz erst gar nicht ausgewertet.“ Entsprechend ernüchternd sei auch die Bilanz der frühen Nutzenbewertungen im Bereich der Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) ausgefallen: In 11 von 13 durchgeführten Verfahren hat der G-BA keinen Zusatznutzen ausgesprochen.

Wie geht es weiter?

Bei den Betroffenen mit pharmakoresistenten Epilepsien seien die beiden Entscheidungen zu Perampanel auf Unverständnis gestoßen, da die Patienten hierzulande unverändert und dringend auf neue Therapieoptionen angewiesen sind: Nach wie vor erreichen etwa 30% der Epilepsiepatienten mit den herkömmlichen Antiepileptika keine Anfallsfreiheit und leiden trotz Therapie an einer hohen Morbidität und stigmatisierenden Anfällen.

Eine Petition des Epilepsie Bundes-Elternverbands (e.b.e.) sowie weiterer Initiativen wurde am 11. April 2016 bei einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag erörtert und ist Gegenstand weiterer Beratungen: Die Petition bringt die Forderung nach der Sicherstellung der Versorgung aller therapieresistenten Menschen mit Epilepsien mit neuen Medikamenten zum Ausdruck.

Das Unternehmen Eisai werde sich auch künftig für eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem G-BA und allen Interessengruppen einsetzen, um einen Weg zu finden, der es Menschen mit Epilepsie in Deutschland ermöglicht, einen routinemäßigen Zugang zu den von ihnen benötigten innovativen Arzneimitteln zu erhalten, betonte Wager.

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