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Können Rolling-Review-Verfahren Standard werden?

30.03.2021 15:38
Nichts weniger als die „medizinische Forschung der Zukunft“ sollte in einem neuen Online-Diskussionsformat von Pfizer diskutiert werden. Unter dem Titel „Evolution oder Revolution?“ sprachen Thomas Schulz, Autor des Buches „Zukunftsmedizin – Wie das Silicon Valley Krankheiten besiegen und unser Leben verlängern will“, Eva Schumacher-Wulf, die Chefredakteurin der "Mamma Mia!"-Krebsmagazine, sowie Prof. Dr. Markus Kosch, der globale Leiter im Bereich Immuntherapien und Lungenkrebs bei Pfizer, und Peter Albiez, seit März 2015 Vorsitzender der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland.

Ausgehend von der These, dass 2020 das Jahr einer unglaublichen Forschungsleistung sei, in dem in weniger als 12 Monaten Forscher rund um die Welt Impfstoffe gegen ein bis dahin unbekanntes Virus entwickelten, sollten die Diskutanten die  Frage beantworten, ob die Geschwindigkeit der Impfstoffentwicklung auf andere Felder übertragen werden könne und was uns in diesem Jahrzehnt an Neuem in der Medizin erwarte. Neben dem klaren Bekenntnis zu einer patientenzentrierten Sicht- und Herangehensweise sieht jedoch Pfizer-Chef Albiez nicht nur, die „Problematik der aufwendig administrativen Anforderungen, die es zu erfüllen“ gelte, sondern auch die Herausforderung der Integration wichtiger Daten aus unterschiedlichen Quellen. Er erwartet seitens der Politik geeignete Rahmenbedingungen, um die Translation von Wissen in die Anwendung zu fördern; hier sei Deutschland „einfach deutlich hinter anderen Regionen der Welt“ zurück. Dabei hätte Deutschland die Substanz, was sowohl die universitäre, als auch die außeruniversitäre Forschungsleistung anbetreffe. Albiez: „Wir sind tatsächlich in vielen Bereichen noch Weltspitze, aber das zu übersetzen und in die Anwendung zu bringen, da muss noch sehr viel passieren.“

Könnte es dann sein, dass das Rolling-Review-System auch im Arzneimittelbereich zum Standard werden könnte? Eine der hier zu erklärenden Fragestellung sind die im Bereich der Impfstoffzulassungen seitens der EMA breit eingesetzten Rolling Review-Verfahren. Während Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Titelinterview von „Monitor Versorgungsforschung“ (MVF 02/21), erklärt dass er außerhalb der Zulassung von Impfstoffen in Krisensituationen eher nicht „von einem verstärkten Einsatz des Rolling-Review-Verfahrens in den nächsten Jahren“ ausgeht, wird seitens Pfizer genau das erwartet. Wobei diese Forderung so neu nicht ist.

Bereits am 17. September 2019 hat die FDA de Pilotversuch „Orbis“ gestartet, mit dem weltweit der Zulassungsprozess neuer Krebsmedikamente beschleunigen werden soll. Das Ziel: Patienten sollen einen schnelleren Zugang zu innovativen Therapiemöglichkeiten erhalten, indem Zulassungsanträge in den am Projekt beteiligten Ländern simultan eingereicht und geprüft werden können. Träger dieser Initiative ist das Oncology Center of Excellence (OCE).  Beteiligt sind bisher die australischen Therapeutic Goods Agency (TGA), Health Canada (HC), die Health Sciences Authority (HSA) sowie Swissmedic. Im Rahmen diese Projekts wurden bisher zwei Gesuche um Indikationserweiterungen von bereits zugelassenen Onkologika länderübergreifend zwischen FDA, TGA und HC begutachtet. Für künftige Gesuche sind zusätzlich zu den Indikationserweiterungen auch Zulassungsgesuche von „Neuen Aktiven Substanzen“ (NAS) vorgesehen.

Kosch nannte auch aus seinem Haus positive Beispiele. So sei gerade ein immun-onkologisches Blasenkrebs-Medikament mit dieser Art des Rolling-Review-Verfahren eingeführt worden. Auch passiere dies eben bei einem neuen Lungenkrebs-Medikament. Kosch: „Ich könnte mir vorstellen und hoffe es sehr, dass das zum Standard wird, zum Normalen.“ Mit diesem Vorgehen könne Zeit gespart werden, jedoch ohne die Qualität zu vernachlässigen. In der Pandemie habe man gesehen, dass Monate bis zu einem halben Jahr an Zulassungsprüfzeiten und Bürokratie eingespart werden können, was sich unmittelbar in Patientennutzen übertrage. Was jedoch auch auf Kosten der pharmazeutischen Unternehmen gehe. Denn neben der dazu nötigen Flexibilität seien diese beschleunigten Vorgehen aufwendige Real-Time-Prozesse, die mehr Ressourcen verbräuchten. „Man muss wirklich Hand in Hand eng abgestimmt Prozesse organisieren, das ist aufwendig, aber möglich. Und ich hoffe, dass das Standard wird“, meinte Kosch abschließend.

von:
MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier

Zitationshinweis:
Stegmaier, P.: „Können Rolling Review-Verfahren Standard werden?“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (03/21), S. 18; http://doi.org/10.24945/MVF.02.21.1866-0533.2306

Links

1: https://www.fda.gov/about-fda/oncology-center-excellence/project-orbis