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Netzwerk schafft Zugang zu innovativer Gentherapie

19.05.2021 12:19
Als erste Krankenkasse hat die AOK Nordost für ihre Versicherten, die im fortgeschrittenen Stadium an Prostatakrebs erkrankt sind, einen Versorgungsvertrag mit dem „Netzwerk Hauptstadt Urologie“ geschlossen. Das Ziel: Krebspatienten in Berlin, aber auch in den Flächenländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sollen einen unkomplizierten Zugang zu den Erfahrungen, modernen Therapien und aktuellen Forschungserkenntnissen der Charité haben. Ihre eigentliche Behandlung bleibt dabei weiterhin in den vertrauten und bewährten Händen ihres Arztes vor Ort. Dazu vernetzen sich in der Hauptstadt Urologie Experten des Tumorzentrums der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit den niedergelassenen Fachärzten im Nordosten.

Betroffene Patienten erhalten von ihrem am Netzwerk teilnehmenden Urologen einen Zugangscode, mit dem sie sich anonym und datenschutzkonform auf einer digitalen Plattform einloggen und dort ihre krankheitsbezogenen Daten eingeben. Ärztliche Experten der Berliner Charité werten diese Daten aus und überprüfen, was für den Patienten zu dem Zeitpunkt am sinnvollsten ist: eine Gen-Sequenzierung, ein Platz im Rahmen einer laufenden Studie oder zunächst die Fortführung der bisherigen Therapie. Der behandelnde Urologe erhält vom Tumorzentrum der Charité entsprechende Empfehlungen für seinen Patienten. Daten von Patienten, für die aktuell weder eine Gen-Sequenzierung noch eine Studie in Frage kommt, bleiben im sogenannten „Basecamp“ gespeichert. In regelmäßigen Abständen wird überprüft, ob es neue Medikamente oder Studien gibt, die für sie in Frage kommen.

Blaupause für die onkologische Versorgung in Zeiten der Präzisionsmedizin

„Wir erhoffen uns von dem innovativen Versorgungsvertrag einen Blaupausencharakter für die künftige onkologische Versorgung in Zeiten der Präzisionsmedizin“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost. „Die moderne Krebsmedizin macht es in einigen Fällen möglich, das Leben von Patienten mit unheilbarem Prostatakrebs zu verlängern. Und wir wollen grundsätzlich allen unseren Versicherten den Zugang dazu wohnortunabhängig ermöglichen. Auf der anderen Seite hat eine hochmoderne und sehr komplexe Medizin auch ihren Preis. Sie sollte deshalb nicht auf Verdacht und in der Breite zum Einsatz kommen, sondern nur dort, wo sie wirklich etwas bewirkt. Nur so werden wir auch in Zukunft unseren Versicherten die Möglichkeit bieten können, von neuen Methoden und Medikamenten zu profitieren“, so Daniela Teichert.

Es braucht entsprechendes Expertenwissen

Um zu wissen, welches neue Medikament im individuellen Fall helfen kann, braucht es Expertenwissen. Deutlich wird das am Beispiel Gen-Sequenzierung: Bei einigen Krebsarten können bestimmte Gen-Veränderungen eine Rolle spielen. „Das kann man sich vorstellen wie einen Schaltmechanismus“, so Professor Thorsten Schlomm, Direktor der Klinik für Urologie der Charité und Mitbegründer des „Netzwerk Hauptstadt Urologie“. „Eine Mutation kann zum Beispiel ein Krebs-Gen ‚anschalten‘, was dann zum Krebswachstum und zu Metastasen führt. Einige dieser ‚Genschalter‘ kann man mit speziellen Medikamenten wieder umlegen und damit das Krebs-Gen ‚ausschalten‘. Hierzu muss man aber sehr genau die Gene in einem Tumor untersuchen und die Ergebnisse auch verstehen.“ Eine solche Sequenzierung sollte deshalb unbedingt von Ärzten und Pathologen vorgenommen werden, die auf diesem Gebiet sehr erfahren sind und dann auch eine Handlungsempfehlung geben können. Hinzu komme, dass sich der medizinische Fortschritt rasant entwickelt. „Das bedeutet, dass morgen eine neue Gen-Veränderung entdeckt werden könnte, die man mit Medikamenten beeinflussen kann. Oder dass ein neues Medikament für eine Mutation entwickelt wird, für die es bisher kein Medikament gab“, so der Urologe. Umso wichtiger sei der ständige Austausch zwischen Experten, wie er im Netzwerk Hauptstadt Urologie stattfindet.