Fehlende Harmonisierung
Nicht die operativen Fragestellungen, wie das AMNOG umgesetzt oder weiterentwickelt werden könnte, standen bei Monika Fenzau, zuletzt tätig bei Bristol-Myers-Squibb, im Mittelpunkt ihres Vortrages. Sie wollte einen Blick - „um in Fußballersprache zu sprechen“ in die nächste oder übernächste Saison werfen. Gleich zu Beginn des Referates machte sie deutlich, dass sie der Nutzenbewertung sehr positiv gegenüberstehe. „Denn auch als Bürgerin und Konsumentin ist für mich eine Nutzenbewertung eigentlich völlig selbstverständlich.“ Beim Kauf eines neuen Kühlschrankes wolle sie schließlich auch wissen, was der Neue besser könne als der Alte und worin sie sich unterscheiden. „Deshalb von meiner Seite aus und ich bin da gar nicht so alleine in der Industrie - ein eindeutiges Ja zur Nutzenbewertung von Innovationen per se“, so Fenzau. Um danach gleich festzustellen: „Aber bitte nicht so.“
Heutzutage gäbe es ein zweistufiges Evaluationsverfahren, nämlich zunächst einmal die europäische Zulassung von neuen Wirkstoffen. „Das heißt die Sicherheit und Wirksamkeit von Wirkstoffen wurde entsprechend geprüft.“ Dazu kämen in den vielen Nationalstaaten nachgelagerte Nutzenbewertungen, zum Teil auch explizite Kosten-Nutzen-Bewertungen. Aufgrund fehlender Harmonisierung im Hinblick auf Datenquelle, Studiendesign oder Methodik ergeben sich teils „kuriose“ und völlig unterschiedliche Ergebnisse.
Das wiederum führe zu erheblicher Verunsicherung nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei den Patienten und nicht zuletzt den politischen Verantwortlichen in den einzelnen Ländern. „Diese Form von Ergebnissen kann nicht die Zukunft sein“, erklärte Monika Fenzau. Ihre Lösung: Harmonisierung. „Meine Botschaft lautet hier, dass wir Nutzenbewertungen zeitlich parallel laufen lassen müssen zur Zulassung.“ Harmonisierung müsse hinsichtlich Datenquellen, Studiendesign und Methodik im Hinblick auf die Nutzenbewertung erfolgen. So könne schließlich auch gewährleistet werden, dass Arzneimittel nicht „nur“ gegen Placebo getestet würden, sondern tatsächlich auch gegen eine angemessene, nachvollziehbare Therapiealternative. Mit anderen Worten: „Würde man es parallel laufen lassen, dann kommt ein neuer Wirkstoff nicht nur mit einer europäischen Zulassung auf den europäischen Markt, sondern auch gleich im Hinblick auf den Zusatznutzen zur Vergleichstherapie.“
Doch nicht nur bei der zeitlichen Herangehensweise, sondern auch beim Verfahren selbst sieht Fenzau Verbesserungspotenzial. Ihrer Ansicht nach sollten sich die einzelnen nationalen HTA-Agenturen auf Wirkstoffe bewerben, die sie überprüfen. „Die dort gefundenen Ergebnisse gelten dann für den gesamten europäischen Raum.“
Konsequente Delegation
Kritik übte Monika Fenzau auch beim Thema Preisfindung innerhalb des AMNOG-Verfahrens. „Warum muss der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen einen Preis verhandeln?“ Sie habe in letzter Zeit Gespräche mit dem ein oder anderen einflussreichen Repräsentanten der GKV geführt und nachgefragt, wie sie es fänden, dass der GKV-Spitzenverband helfe, die Preise mit der Industrie zu verhandeln. Die Reaktionen seien durch die Bank gleich gewesen: Alle befragten Repräsentanten forderten das Verhandlungsmandat für sich.
Deshalb laute ihre Botschaft auch: Konsequente Delegation von Verhandlungsautonomie nach unten. Laut Fenzau berge die Delegation folgende Vorteile: Erstens könne sich der Arzt auf seine Kernkompetenz konzentrieren und wäre aus der ökonomischen Verantwortung komplett entlassen. „Denn die ökonomische Verantwortung von innovativen Arzneimitteln ist dann in die Hände derer delegiert, in die sie gehört - nämlich Hersteller und Zahler.“
Die Delegation der Verhandlungskompetenz an Hersteller und Krankenkasse hätte darüber hinaus auch Auswirkungen auf das internationale Reference-Pricing, das sich am deutschen Markt orientiere. „Dadurch, dass das AMNOG diesen Effekt des Reference-Pricings völlig ignoriert, in dem es einen Verhandlungspreis in die Lauer-Taxe schreibt, kann es eben zu einem Kellertreppeneffekt führen“, so Fenzau. Würde die Verhandlungskompetenz aber an Krankenkassen delegiert werden, wären das Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern, deren Inhalte in der Regel nicht den Weg in die Öffentlichkeit finden. „Somit wird das Thema internationales Reference-Pricing gar nicht erst zum Problem“, erklärte Monika Fenzau abschließend.
Einen Blick in die berühmte Kristallkugel wagte Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers (Rechtsanwaltssocietät Ehlers, Ehlers & Partner) mit seinem Vortrag „Health Care Fraud in Deutschland - Drohen der pharmazeutischen Industrie amerikanische Verhältnisse?“ Um die Brisanz des Themas zu verdeutlichen, berichtete Ehlers zunächst über die Entwicklungen in den USA.
Es sei dahingestellt, ob das Gesundheitssystem in den USA das teuerste sei oder nicht. Tatsache sei jedoch, dass die strukturelle Korruption in den USA längst zur Nummer eins der Wirtschaftskriminalität geworden sei. „Mindestens 3 bis 10 Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets gehen durch Straftaten, sogenannte Health Care Frauds, verloren“, so Ehlers. Dies sind schätzungsweise ca. 80 Milliarden Euro - eine Summe, die im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung vergeblich investiert werde. Die kriminogenen Faktoren, die in den USA eine Rolle spielten, seien durchaus auch in Deutschland zu finden: „Das sind fehlende Transparenz, falsche Systeme zum Anreiz und letztendlich wird es dem Straftäter leicht gemacht, das System zum eigenen Vorteil auszunutzen.“
In den USA werden laut Ehlers von den Arzneimittelherstellern regelmäßig bis zu dreistellige Millionenbeträge gezahlt, um zivil- und strafrechtliche Verfahren zu beenden. Das Problem seien falsche Informationen. Beispielsweise „aufgeblähte durchschnittliche Großhandelspreise“. Bei einem Hersteller, der falsche Großhandelspreise angibt und damit letztendlich einen Dritten dadurch schädigt, spreche man nicht von zivilrechtlich auszugleichenden Schadenersatzforderungen, sondern von kriminellem Verhalten.
Problem sind falsche Informationen
Auch die „Manipulation des nominellen Preises“ könne in den USA Strafverfahren nach sich ziehen. Ebenso müssten nach der Bestimmung des Best Price auch Kosten bzw. Kostenvergünstigungen für privates Etikettieren, Umverpacken und Umetikettieren eingerechnet werden.
Zwar existierten keine genauen Zahlen zu den tatsächlichen Schäden durch Betrug und Manipulation für das deutsche Gesundheitssystem. „Nach Expertenansicht entsteht dem Gesundheitssystem in Deutschland ein jährlicher Gesamtschaden in Höhe von 13,5 Milliarden Euro“, führte Ehlers aus. Das enstpreche knapp 6 Prozent der Gesamtausgaben. Wie tragfähig die Zahlen letztendlich seien, könne er nicht beurteilen. „Doch egal wieviele Euros verschwendet werden, es sind Gelder, die bei knappen Ressourcen einfach bei der Versorgung fehlen.“
Die Frage müsse nun lauten: Könnten diese amerikanischen Verhältnisse auch auf Deutschland übertragen werden? „Wenn ich eine Prognose wage und den Blick in die Glaskugel werfe, dann sage ich Ja“, erläuterte Ehlers. Zwar gebe es keine direkte Übertragbarkeit, da die Rechtssysteme sehr verschieden seien. „Aber man beachte den Paradigmendwechsel“, mahnte der Rechtsexperte. Haben die Hersteller früher die Arzneimittelpreise für Innovationen selbst festgelegt, erfahre die Preisbildung durch das AMNOG eine gravierende Änderung, „denn erstmals wurden Mitteilungspflichten eingeführt“. Verletzung der Mitteilungspflicht wäre beispielsweise gegeben, wenn Angaben des Herstellers gegenüber dem G-BA bei der frühen Nutzenbewertung, insbesondere in Verhandlungen mit dem Spitzenverband Bund oder dem anschließenden Schiedsamtsverfahren, falsch sind.
Darüber hinaus könne er Monika Fenzau bei ihrer Forderung nach Harmonisierung bei der europäischen Nutzenbewertung nur zustimmen. „Ich glaube, dass es bei der frühen Nutzenbewertung noch sehr viel Diskussionsbedarf gibt“, so Ehlers, „denn eine Vielzahl an Rechtsproblemen ist noch offen.“ <<
Glücklicherweise sind wir - bezogen auf die Neueinführung von Wirkstoffen - in 2011 nicht betroffen; allerdings kann aktuell noch niemand beurteilen, inwiefern Produkte aus dem sogenannten „Bestandsmarkt“, die noch dem Unterlagenschutz unterliegen müssen, seitens des G-BA zu einer Nutzenbewertung nach dem AMNOG aufgerufen werden.
Welche Anforderungen der frühen Nutzenbewertung - so sie denn aus Gesetz und Rechtsverordnung erkennbar sind - kann Ihr Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt erfüllen?
Voraussichtlich alle.
Und was muss Ihr Unternehmen z.B. bezüglich der Neugestaltung oder auch Änderung von Phase-III-Studien tun, um den Anforderungen gerecht zu werden?
Eine wichtige Fragestellung für globale Konzerne ist grundsätzlich, ob man in den Phase III-Studien bereit ist, von der gegenwärtigen Forschungssituation, eher Placebo-Studienvergleiche oder maximal non-inferiority-Studienvergleiche zu einer Vergleichssubstanz zu initiieren, auf superiority-Vergleiche überzugehen! Schwierig ist es natürlich für global tätige Pharmafirmen, die in Deutschland vom G-BA zu benennende Vergleichssubstanz in einer Indikation nicht schon Jahre vor Produkteinführung zu kennen und auch zu entscheiden, welche Vergleichssubstanz in ein Studienprogramm Einzug halten wird, weil unterschiedliche Länder in der Welt unterschiedliche Ansprüche in puncto Vergleichssubstanz stellen können! Daher wäre es aus Sicht der Pharmaindustrie wünschenswert, dass von den Zulassungsbehörden hier künftig international einheitliche und verbindliche Regelungen getroffen werden.
Stellt Ihr Unternehmen das, was über die frühe Nutzenbewertung in der Rechtsverordnung steht, wirklich vor große Herausforderungen? Oder ist es nicht so, dass Ihr Unternehmen auch heute schon – dort wo das geht – in den entsprechenden Studien die Fortschritte der Innovationen hinsichtlich von Symptomlinderungen, längerer Lebenszeit und der Reduktion wichtiger Nebenwirkungen aufzeigt, anstatt gegen Placebo zu testen?
Wie oben bereits erwähnt, ist die Prüfung gegenüber Placebo immer noch sehr weit verbreitet; die Parameter „Symptomlinderungen“, „Lebensqualität“, „Interaktions- und Nebenwirkungs-Output“ sowie „Lebensverlängerung“ sind in der Regel Bestandteil aktueller Studienprogramme der Pharmaindustrie; ausbaufähig erscheinen die Bereiche „Überlegenheit gegenüber einer definierten Vergleichstherapie“ sowie eine noch spezifischere Graduierung von Patienten-Subgruppen!
Als „Kollateralnutzen“ oder je nach Sichtweise auch „Kollateralschaden“ des AMNOG kann es bezeichnet werden, dass dieses Gesetz der Einstieg in die Preisfestsetzung als ein Verhandlungsergebnis ist, natürlich mit dem Ziel, eine Reduzierung eines ursprünglich geforderten Marktpreises herbeizuführen. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf Unternehmensgewinn als auch auf internationale Preisfestsetzungen, da der deutsche Preis immer noch als Referenzpreis gilt?
„So, wie der Zusatznutzen in der Rechtsverordnung beschrieben wird, stehen wir vor echten Herausforderungen“
Grundsätzlich kann man natürlich festhalten, dass es im Vergleich zu dem ursprünglich definierten Markteinführungspreis durch die Verhandlung oder die Festsetzung eines Erstattungspreises eine Abweichung nach unten geben wird; wie hoch diese Abweichung nach unten ausfallen wird, ist vom Beleg des Zusatznutzens des neuen Wirkstoffes im Vergleich zu der definierten Vergleichssubstanz abhängig; damit ist dann auch die Auswirkung auf den Unternehmensgewinn verbunden, zumal davon auszugehen ist, dass gegenbenenfalls aktuell zu entrichtende Abschläge wie gesetzlicher Hersteller-Rabatt oder individuell vereinbarte Krankenkassen- oder Krankenhaus-Rabatte durch die Festlegung eines Erstattungspreises ganz oder teilweise entfallen werden!
Mittelfristig wird sich ein niedriger deutscher Erstattungspreis auch auf die internationalen Preisfestsetzungen auswirken, aber dies ist zum Teil auch schon seit August 2010 der Fall, weil einzelne europäische Länder bereits jetzt den deutschen Netto-Preis (d.h. nach Abzug der aktuellen gesetzlichen Hersteller-Rabatte) zur Anrechnung in ihre jeweilige Preisberechnung bringen.
Welche Impulse erwarten Sie von den Verhandlungen mit dem Spi-Bu nachgeschalteten Gesprächen mit den einzelnen Kassen? Kommen hier auch qualitative Themen zur Sprache oder wird das nur eine Art zweiter Rabattrunde?
Aus meiner persönlichen Perspektive sind diese Gespräche eher Gespräche mit „wirtschaftlichem Hintergrund“, die eher die Höhe des Erstattungspreises zur Folge haben werden; qualitative Aspekte werden eher im Hintergrund stehen!
Erwarten Sie, ähnlich wie es Erik Meinhardt, Direktor Market Access von MSD, in der ersten Ausgabe 2011 von „Market Access & Health Policy“ formuliert hat, dass die Business Units „F&E“, „Market Access“ und „Marketing“ schon kurz- bis mittelfristig zusammenwachsen oder zumindest viel besser verzahnt werden als bisher?
Ich würde dies unbedingt bejahen, würde aber neben den in der Fragestellung aufgeführten Bereichen unbedingt noch den Bereich „Medical Affairs“ ergänzen wollen! Im engen Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Bereiche werden sich über kurz oder lang Synergien entwickeln, die heute leider vielerorts noch brach liegen. Hier ist noch viel Potenzial vorhanden, das es zu nutzen gilt.
Wird damit nicht auch das laut AMNOG vorzulegende Value- bzw. Nutzendossier zur Grundlage jedweden Marketings? Ist das nur Problem oder vielleicht auch eine Chance für eine neue Art der Marketingkommunikation?
Ist einmal ein „Erstattungspreis“ festgesetzt worden und damit die Höhe des Zusatznutzens ableitbar, wird das auf jeden Fall Bestandteil der Produkt-Kommunikation werden. Es ist wie immer im Leben: Je besser der Beleg eines Zusatznutzens darzustellen ist, umso eher wird man darüber auch reden. Von dieser Möglichkeit sollte die Pharmaindustrie dann aber auch tatkräftig Gebrauch machen.
Herr Milz, vielen Dank für das Gespräch. <<
]]>Vorläufiger Fest- bzw. Höchstbetrag
Bevor ein Nutzen, im Sinne des SGB V („patientenorientierter Nutzen“) nicht ausreichend sicher nachgewiesen werden könne, sei auch die Festsetzung eines Höchstbetrags weder sinnvoll noch möglich. Schließlich stellt es laut Gutachten eher den Regelfall dar, dass zum Zeitpunkt der Zulassung noch keine ausreichenden Daten über den therapeutischen Wert eines Mittels im „medizinischen Versorgungsalltag“ („effectiveness”) und damit für eine Kosten-Nutzen-Bewertung von neuen und deshalb patentgeschützten onkologischen Arzneimitteln vorliegen können. Solche Daten seien aber Grundlage, wenn die Erstattung durch die GKV endgültig festgesetzt werden soll. Die in den klinischen Studien an eher selektiv ausgewählten Patientinnen und Patienten dokumentierte Wirksamkeit („efficacy“) als Voraussetzung für die Zulassung bietet keine hinreichende Basis für eine patientenorientierte Nutzenbewertung gemäß den Anforderungen der GKV.
Bei dieser Konstellation gibt es für die Riege der Gutachter zunächst zwei denkbare Vorgehensweisen:
• Das Medikament wird erst nach einer validen Kosten-Nutzen-Bewertung in die Erstattung aufgenommen, was einer „echten“ vierten Hürde in Form einer GKV-weiten Positivliste entspricht.
Dieses Verfahren besitzt laut Gutachten den offensichtlichen Nachteil, dass es viele Patienten für einen relevanten Zeitraum, der zwischen drei und fünf Jahre betragen kann, von einem möglichen therapeutischen Fortschritt ausschließt und auch die Anreize für die pharmazeutische Forschung am Standort Deutschland mindert.
• Als Alternative erstattet die GKV ab der Zulassung den vom Hersteller geforderten Preis.
Dies sei die geltende Regelung, die vor dem Hintergrund der im Bereich der Onkologie in Zukunft zu erwartenden Neuzulassungen von Medikamenten die GKV finanziell stark belasten wird. Zudem könne der erstattete Preis im ungünstigen Fall für einen relevanten Zeitraum in einem Missverhältnis zum später ermittelten relativ geringen therapeutischen Zusatznutzen stehen. Doch angesichts der jeweiligen Nachteile dieser beiden Varianten stellt sich laut Gutachtermeinung „die Frage nach zielorientierten Alternativen, die auch auf Vertragsmodellen aufbauen können“.
So würde es sich als eine mögliche Lösung anbieten, ein Medikament bis zur validen Bewertung ihrer Kosteneffektivität mit einem vorläufigen Höchst- bzw. Erstattungsbetrag zu belegen, der vor allem die potenzielle Höhe und die geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit eines Patientennutzens berücksichtigt. Ein fortlaufendes Monitoring, das nach vorgegebenen einheitlichen Regeln und Kriterien der Evidenzgenerierung erfolgt, müsste dann zur Überprüfung und Anpassung der Erstattungsbeiträge dienen.
Diese „Überwachung“ könne nun vom pharmazeutischen Unternehmen oder einer unabhängigen Institution, die Versorgungsforschung betreibt, durchgeführt werden. Wobei bei Medikamenten mit einem relativ niedrigen Ausgabenvolumen Aspekte der Verwaltungseffizienz für eine Beobachtung des Arzneimittels durch das pharmazeutische Unternehmen sprächen. In diesem Kontext gelte es allerdings zu berücksichtigen, dass nicht alle onkologischen Arzneimittel von einer unabhängigen Institution einem intensiven Monitoring bzw. einer validen Kosten-Nutzen-Bewertung unterzogen werden können.
Dies zwingt laut Gutachten zu einer Konzentration auf Medikamente, die ein hohes Ausgabenvolumen erwarten lassen oder über deren gesundheitlichen Netto-Nutzen – und hier insbesondere unter Berücksichtigung ihrer unerwünschten Wirkungen – zum Zeitpunkt der Zulassung noch erhebliche Unklarheiten bestehen.
Ab dem Zulassungszeitpunkt bedarf es aber nach Meinung der Gutachter einer zeitlichen Begrenzung für die Überprüfung des jeweiligen Mittels in der Routineversorgung, die das Institut, dem die Versorgungsforschung obliegt, in Abhängigkeit von der individuellen Problemlage des jeweiligen Arzneimittels vorgibt.
Dem Unternehmen falle dann die Aufgabe zu, im Rahmen des Monitorings innerhalb dieses Zeitraumes das Ausmaß des therapeutischen Zusatznutzens seines Medikamentes nachzuweisen. Gelinge dies nicht, trete an die Stelle des vorläufigen Höchstbetrages ein Erstattungsbetrag, der sich an ähnlich wirksamen Medikamenten orientiere; das heißt in der Regel an einem Festbetrag oder an einem Durchschnittspreis für vergleichbare generische Produkte (z.B. möglich, wenn Biosimilars in den Markt eingeführt werden).
Die vorgegebene zeitliche Begrenzung, die auch für das mit der Planung des Monitorings beauftragte Institut gelte, diene ebenso der Transparenz und Planungssicherheit des pharmazeutischen Unternehmens. Im Rahmen dieser Evaluierung könnte auch der Fall eintreten, dass mit dem neuen Arzneimittel ein höherer Behandlungserfolg erreicht wird, als zum Zeitpunkt der Zulassung erwartet wurde.
Preis-Upgrade denkbar
Konsequenterweise würde für die Gutachter ein solches Ergebnis auch einen höheren Erstattungsbetrag rechtfertigen. Das Institut, das die Versorgungsforschung durchführt und das Monitoring der pharmazeutischen Unternehmen begleitet, sollte aber seine Entscheidungen in objektiver Weise nur am feststellbaren therapeutischen Wert des Arzneimittels ausrichten, und nicht an den finanziellen Interessen der Hersteller, oder an den fiskalischen Belangen der Krankenkassen.
Gutachten-Auszug Biosimilars
Die Einführung von Biosimilars, biopharmazeutischen Generika, wird sich kostensenkend auf die Ausgaben der GKV auswirken. Bislang werden durch Markteintrittsbarrieren und missbräuchlichen Preispolitiken von Originalherstellern die Preise der Biosimilars unterboten. Als Folge könnten Hersteller von einer Investition in Biosimilars absehen. Auch die Möglichkeit von Rabattverträgen für patentierte Arzneimittel zum Zweck der Absatzsicherung nach Ablauf des Patents und staatliche Regularien wie Festbeträge stellen Hindernisse für die Markteinführung von Biosimilars dar, da sie zum Angleich der Preise von Originalpräparaten und Biosimilars führen.
Um den Markteintritt von Biosimilars ordnungspolitisch vorzubereiten, könnten folgende Anpassungen stattfinden:
• Marktöffnung für Biosimilarhersteller abgeleitet aus anderen Wirtschaftsbereichen, z. B. der Energie- und Luftfahrtbranche: Einführung des Wettbewerbs durch Ausgestaltung von Rabattverträgen, die die Einführung von Biosimilars fördern,
• Biosimilars werden über eine bestimmte Dauer nicht in Regelungen zur Bildung von Festbeträgen einbezogen,
• Biosimilarhersteller können bei missbräuchlicher Preisbildung und Markteintrittsbarrieren die Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beim Bundeskartellamt einfordern,
• Quoten in Arzneimittelvereinbarungen, nach denen bei Verfügbarkeit eines Biosimilars 50 % der Verordnungen auf die kostengünstigere Variante entfallen müssen (§ 84 Abs. 7, SGB V).
Hierfür könne auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als beratende bzw. begleitende bzw. durchführende Institution in Frage kommen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hersteller seinen Preis dem vorläufigen Erstattungsbetrag anpassen könne, erscheint den Gutachtern sogar höher als bei einem Höchstbetrag, der auf einer validen Kosten-Nutzen-Bewertung aufbauen soll.
Bei dem vorläufigen Höchst- bzw. Erstattungsbetrag könne sich der pharmazeutische Hersteller nämlich noch nicht auf ein offiziell bestätigtes therapeutisches Alleinstellungsmerkmal seines Medikamentes im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB V berufen. Der Grund: Das Arzneimittel befinde sich hinsichtlich seines therapeutischen Zusatznutzens quasi noch in einer „Testphase“.
Da der deutsche Arzneimittelmarkt den drittgrößten der Welt darstellt und die GKV hieran einen Ausgabenanteil von über 70 % besitzt, dürften die Hersteller nach Meinung der Gutachter auch kaum das Risiko eingehen, wegen eines zu hohen Preises in einem Übergangszeitraum einen erheblichen Teil der Nachfrage zu verlieren.
Cost- und Risk-Sharing
Den pharmazeutischen Herstellern verbleibe auch noch die Alternative, mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen einen Cost- oder Risk-Sharing-Vertrag abzuschließen. Diese Alternative biete sich für den Hersteller vor allem dann an, wenn der Abgabepreis des Medikamentes in Deutschland ausländischen Regulierungen als Benchmark dient.
Cost-Sharing-Verträge setzen - so das Gutachten - allerdings als Planungsgrundlage für die Vertragspartner ein in seinem Umfang weitgehend bekanntes Patientenkollektiv voraus. Sofern der Cost-Sharing-Vertrag auch einen potenziellen Off-Label-Use einschließt, gewährt er aber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen Transparenz und Sicherheit hinsichtlich des künftigen Ausgabenvolumens. Etwaige Erweiterungen des Patientenkreises oder (andere) angebotsinduzierte Nachfrageeffekte gingen dann zwangsläufig zu Lasten des pharmazeutischen Herstellers, dem unabhängig davon nur das ex ante vereinbarte Erstattungsvolumen zustünde. In Risk-Sharing-Verträgen dagegen garantiere der pharmazeutische Hersteller dem Vertragspartner das spätere Eintreten eines bestimmten Behandlungserfolgs, andernfalls erstattet er den Preis - das heißt hier die Preisdifferenz zur bisherigen Standardtherapie - ganz oder teilweise zurück.
Der Hersteller gehe damit im Vergleich zur Festlegung eines vorläufigen Erstattungsbetrages insofern ein erhebliches Risiko ein, weil dann sein Arzneimittel im ungünstigen Fall auch für den Erprobungszeitraum nur in Höhe der bisherigen Standardtherapie erstattet wird. Die Meinung der Gutacher ist endeutig: „Der pharmazeutische Hersteller dürfte daher nur dann einen Risk-Sharing-Vertrag abschließen, wenn er aufgrund der klinischen Prüfung und unter Umständen zusätzlicher Informationen vom therapeutischen Zusatznutzen seines Medikamentes und dessen nachträglicher Bestätigung durch valide Versorgungsstudien überzeugt ist.“
Die Problematik bestehe allerdings hier in der Formulierung eindeutiger bzw. kontrollierbarer und justiziabler Kriterien für die Erfassung des Behandlungserfolgs. Die Erfahrung mit den bisherigen – noch recht seltenen – Risk-Sharing-Verträgen lehrt, dass die Konzipierung guter Verträge auf beiden Seiten, also auf Seiten der Hersteller und der Kassen, mit einem erheblichen Aufwand einhergeht. Gleichwohl verdiene dieses „Payment by Result“ schon unter Zielaspekten zumindest als Option eine Chance. <<
Häufig verwendete Termini in der Bewertung von Arzneimitteln*
„Nutzen-Risiko-Verhältnis“:
Lt. Arzneimittelgesetz §4 (27): Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist a) jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit. [...|
Lt- Arzneimittelgesetz §4 (28): Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a. Für eine positive Marktzulassungsentscheidung muss eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz belegt werden, sowie ein mindestens vergleichbares Nutzen-Risiko-Profil (Nicht-Unterlegenheit) verglichen zu etablierten Therapien – sofern für das Anwendungsgebiet vorhanden – gezeigt werden.
„Efficacy“: Wirksamkeit im Sinne der „Efficacy“ bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Intervention unter idealen Bedingungen mehr Nutzen als Schaden bringt. „Effectiveness“: Wirksamkeit im Sinne der „Effectiveness“ ist das Ausmaß, in dem eine Intervention mehr Nutzen als Schaden bringt, wenn sie unter den üblichen Bedingungen der Krankenversorgung erbracht wird.
„Relative Efficacy“: Relative Wirksamkeit im Sinne der „Relative Efficacy“ kann definiert werden als das Ausmaß, in dem eine Intervention unter idealen Bedingungen im Vergleich zu einer oder mehreren Interventionen mehr Nutzen als Schaden bringt.
„Relative Effectiveness“: Relative Wirksamkeit im Sinne der „Relative Effectiveness“ kann definiert werden als das Ausmaß, in dem eine Intervention, wenn sie unter den üblichen Bedingungen der Krankenversorgung erbracht wird, im Vergleich zu einer oder mehreren Alternativinterventionen, bei dem Versuch ein bestimmtes Gesundheitsziel zu erreichen, mehr Nutzen als Schaden bringt.
„Therapeutischer Zusatznutzen“: Der Begriff „Therapeutischer Zusatznutzen“ ist weit verbreitet, doch gibt es keine allgemein anerkannte Definition (Eichler et al. 2010). Die Definition des europäischen Dachverbandes der nationalen Verbraucherschutzorganisationen (BEUC): Einem neuen medizinischen Produkt kann ein therapeutischer Zusatznutzen nachgesagt werden, wenn gut fundierte klinische Daten zeigen, dass es Patienten eine bessere Wirksamkeit („efficacy“) oder eine bessere Sicherheit oder eine verbesserte Darreichungsform als die existierenden Alternativen bietet.
„Patientennutzen“: In §35b SGB V ist der Patientennutzen definiert als Verbesserung des Gesundheitszustandes, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer, eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität, bei der wirtschaftlichen Bewertung auch die Angemessenheit und Zumutbarkeit einer Kostenübernahme durch die Versichertengemeinschaft.
„Kosteneffektivität“: Kosteneffektivität beschreibt die vergleichenden Kosten und belegte oder vermutete Wirksamkeit (Effectiveness) vorgeschlagener Behandlungsstrategien oder Interventionen (US Centres for Disease Control and Prevention). Kosteneffektivitätsanalyse: Die Kosteneffektivitätsanalyse ist der Vergleich alternativer Interventionen, in der Kosten in monetären Einheiten dargestellt werden und Behandlungsresultate in nicht-monetären Einheiten, wie verringerte Mortalität oder Morbidität (INAHTA). „Die Bewertung erfolgt durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln und Behandlungsformen unter Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patienten im Verhältnis zu den Kosten“ (§35B Abs. 1 Satz3 Bewertung des Nutzens und der Kosten).
* Die Definitionen aus dem Gutachten (S. 139) beruhen auf Übersetzungen von Definitionen, die in einem Artikel von Eichler et al. 2010 zusammengestellt sind.
Vier grundsätzliche Fragen zu klären
Vor der Erstellung des Dossiers müssten zunächst vier grundsätzliche Fragen geklärt werden. Frage Nummer eins lautet: „Welcher Hersteller wird als erstes aufgefordert?“ Daran anknüpfend folgt die Frage, ob ein Beratungsgespräch mit dem G-BA geplant sei. Drittens welches Bewertungsergebnis beziehungsweise welcher Zusatznutzen erwartet werde. Und zuletzt: „Ist eine Stellungnahme zur eigenen Bewertung geplant? Und wie werden die Wettbewerber Stellung beziehen?“ Diese Fragen sollten vor der Erstellung geklärt werden, „um einen roten Faden in die Argumentationskette zu bekommen“.
Vor der endgültigen Einreichung sollte das Dossier unbedingt nochmals auf die Qualität bestimmter Aspekte hin überprüft werden, wie zum Beispiel die Vollständigkeit der Studien, Abgleich mit rechtlichen Vorgaben, inhaltliche Konsistenzkontrolle, Prüfung der Orthografie und last but not least: „Spiegeln sich die Corporate-Identity-Vorgaben des Unternehmens auch im Dossier wider?“
Ein entscheidendes Problem bei der Erstellung der Dossiers liegt nach Einschätzung von Thomas Ecker im vorgegebenen zeitlichen Rahmen: „Ohne Qualitätsverlust ist die Erstellung des Dossiers kaum schneller als in 20 Wochen zu bewerkstelligen.“ Die 12-Wochen-Frist halte er für eher unrealistisch. Die Erstellung eines Dossiers gliedere sich in vier Phasen: Scoping Workshop, Erstellung des Argumentationsgerüstes, First Draft und dann schließlich die Finalisierung und Kontrolle. „Im Scoping Workshop werden zentrale Fragen im Projektteam abgestimmt“, so Ecker. Fragen wie „Was sind die relevanten Eckpunkte?“, „Wie viele Patienten sind zu erwarten?“ und „Was ist die zweckmäßige Vergleichstherapie?“ müssten in dieser Phase geklärt werden. „Das Argumentationsgerüst fasst im Anschluss die wesentlichen Fakten für den Nachweis des angestrebten Zusatznutzens konsistent zusammen.“ In der dritten Phase werde die Evidenz für den Nutzennachweis als Textdokument aufbereitet und schließlich erfolge dann die Qualitätskontrolle. Ecker mahnte die Zuhörer, insbesondere auch auf die Vollständigkeit der Daten im Dossier zu achten. „Denn alles was fehlt, kann im Zweifel gegen Sie verwendet werden.“
18 Kostendämpfungsgesetze in 20 Jahren
In seinem Vortrag „Innovative Direktverträge - Positionen der Pharmaunternehmen“ warf Dr. Bernd Wegener, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI), einen Blick zurück auf die unternehmerischen Herausforderungen der letzten zwei Jahrzehnte aus Sicht der pharmazeutischen Unternehmen. „Wenn wir bis ins Jahr 1990 zurückgehen, so hatten wir in der Zeit insgesamt 18 Kostendämpfungsgesetze.“ Weitere Regulierungen kamen durch Festbeträge, Erstattungsausschlüsse bei der Selbstmedikation, Einführung der Rabattverträge oder Steuerung des Verschreibungsverhaltens durch Budgetierung.
Bei den Selektivverträgen stellten die Rabattverträge einen „dominaten Vertragstyp“ dar. Den Zahlen nach sind die Rabattverträge ein Erfolgsmodell“, sagte Wegener. „Mit Stand April 2010 gab es 12.211 Rabattverträge, an denen 116 Krankenkassen und 141 pharmazeutische Unternehmer beteiligt waren.“ Das Gros der Rabatte betraf dabei Generika, die mit einem Festbetrag belegt waren. Die Einschätzung, dass mit dem AMNOG selektivvertragliche Möglichkeiten nach den §§ 130 b, 130 c sowie 140 b gestärkt würden, kann Wegener nicht teilen. Im Gegenteil: „Meiner Ansicht nach haben wir eher verminderte Verhandlungsspielräume.“ Die Anhebung der gesetzlichen Herstellerabschläge von 6 auf 16 Prozent für verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Festbetrag sowie das Preismoratorium, das bis zum 31.12.2013 gilt, nannte der BPI-Vorsitzende als Gründe. Darüber hinaus erwarte er eine zusätzliche Einschränkung durch die vorgeschalteten zentralen Verhandlungen über den Erstattungsbetrag nach § 130 b SGB V. Zwar sei die Weiterentwicklung noch schwer vorhersehbar. „Aber der Impuls für selektive Vertragsoptionen ist eher fraglich“, so Wegeners Resümee. <<
Autorin: Jutta Mutschler
Autor
Hanspeter Quodt ist Vorsitzender der Geschäftsführung von MSD Deutschland.
Kontakt: hanspeter.quodt@msd.de
Web: www.msd.de
Ab in den Festbetrag?
Dem wird wohl nicht so sein, denn aufgrund der so vorgelegten Erkenntnisse wird es wohl kein Arzneimittel schaffen, in die höchsten Kategorien der Quantifizierung des Zusatznutzens nach § 5 Abs. 7 der kürzlich veröffentlichten Rechtsverordnung aufzusteigen, die den Beweis eines „erheblichen“ oder „bedeutsamen“ Zusatznutzens verlangen. Die meisten werden wohl eher in die Kategorie „geringer“ oder gar „nicht quantifizierbarer“ Zusatznutzen fallen, alleine deswegen, weil die – wie es schon in der Rechtsverordnung steht - „wissenschaftliche Datengrundlage es nicht zulässt“. Was mit den anderen passiert, ist klar: Ab in den Festbetrag, weil kein Zusatznutzen belegbar oder sogar ein geringerer Nutzen als der der zweckmäßigen Vergleichstherapie festzustellen ist. So klar wird das allerdings nicht sein, denn schon jetzt ist abzusehen, das die pharmazeutische Industrie jede dieser Entscheidungen mit einer Gerichts-
lawine überziehen wird. Alleine schon deshalb, weil diese Kategorisierung zu einem solch frühen Bewertungszeitpunkt auf mehr als wackeliger Basis steht, weil eine fNB eben nie eine abschließende Nutzenbewertung, sondern immer nur eine Nutzenprognose sein kann.
Yzer spricht sich darum dafür aus, dass dem frühen Bewertungszeitraum methodisch auch dadurch Rechnung getragen wird, dass es möglich sein müsse, mit Surrogatparametern und Modellierungen zu arbeiten. „Womit denn sonst?“, fragt sie und antwortet gleich selbst, indem sie sagt: „Wir haben zu diesem Zeitpunkt keine Daten aus dem Versorgungsalltag.“ Weil dem so sei und eben die zum Zulassungszeitpunkt vorliegende beste verfügbare Evidenz anzuwenden sei, fordert sie „eine Bindungswirkung“ der Zulassung; also im Grunde nichts anders, als dass der G-BA schon der Zulassung vertrauen und keine neuen Daten anfordern dürfe.
Ob das ausreichen wird, darf bezweifelt werden. Denn schon nach dem Gesetzeswortlaut des AMNOG (§ 35a Absatz 1) muss das Nutzen-Dossier neben einigen Punkten (s. Kasten) auch Auskunft darüber geben, wie der „medizinische Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie“ aussieht.
Doch die wird bisher in Phase-III-Studien bislang wohl eher selten abgetestet. <<
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG
§ 35a Absatz 1
„Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen“ wird wie folgt gefasst:
Der Gemeinsame Bundesausschuss bewertet den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung. Die Nutzenbewertung erfolgt auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens als auch der Zulassung neuer Anwendungsgebiete des Arzneimittels an den Gemeinsamen Bundesausschuss zu übermitteln hat, und die insbesondere folgende Angaben enthalten müssen:
1. zugelassene Anwendungsgebiete,
2. medizinischer Nutzen,
3. medizinischer Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie,
4. Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht,
5. Kosten der Therapie für die gesetzliche Krankenversicherung,
6. Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung.