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Editorial

Große Erwartungen

Mit dem Titel eines Klassikers der Weltliteratur von Charles Dickens lässt sich das gespannte Warten auf die gesundheitspolitischen Entwicklungen im Herbst kurz und bündig umschreiben. Mit der Krankenhausreform, dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens und dem Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten stehen zentrale Vorhaben an, an die die Akteure im Gesundheitssystem „große Erwartungen“ knüpfen.

Wie dringend notwendig Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und Datennutzung gefragt ist, macht Dr. Stefan Wesarg, Projektleiter beim Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, im Interview deutlich. „In Deutschland müssen wir es schaffen, dass wir für die Forschung – und damit meine ich nicht nur die universitäre und akademische Forschung, sondern auch die Forschung der Pharmaindustrie – auf eine gut strukturierte Datensammlung zugreifen können, um Fragen bei digitalen Gesundheitsfragestellungen anzugehen.“ Wenn man die Digitalisierung im Gesundheitswesen in großen Schritten vorantreiben wolle, „dann muss die Forschung aber gleichermaßen mitgedacht werden“.

Welchen Nutzen qualitativ hochwertige Register für die Gesundheitsversorgung der Patienten bieten können, erläutert Martin Grohmann, Leiter Medizin und Versorgung bei den Gesundheitsforen Leipzig. „Große Erwartungen“ knüpft Grohmann an das geplante Registergesetz im Herbst, um die Potenziale von Registern weiterzuentwickeln und noch besser ausschöpfen zu können. „Zwei Dinge: Vereinfachtes Data Linkage, so dass man die Register mit einem einheitlichen Patient Identifier besser miteinander verknüpfen kann“, beschreibt Grohmann seine Erwartungen und Hoffnungen. Und weiter: „Lösungen zu Finanzierungsfragen wird es mit dem Registergesetz nicht geben. Aber auch da würde ich mir wünschen, dass es klare Leitlinien oder Möglichkeiten gibt, wie man eine nachhaltigere und zukunftsfähige Finanzierung hinbekommt.“

Mit der Einführung der Digitalen Gesundheitsanwendungen waren auch „große Erwartungen“ verbunden – bei einigen Akteuren hat sich inzwischen jedoch eher Ernüchterung breit gemacht. Zwei spannende Know-how-Beiträge beschäftigen sich mit den DiGAs. Zum einen wird ein Blick auf die vertrieblichen Herausforderungen geworfen und Lösungen werden aufgezeigt. Zum anderen wird die Preisgestaltung auf Basis des evidenzbasierten Nutzens analysiert.
Dass DiGAs Therapien nicht nur unterstützen können, sondern auch einen gesundheitsökonomischen Vorteil bieten, zeigt Dr. Anant Jani, Gesundheitsökonom an der Oxford Martin School und am Heidelberger Institut für Global Health. Jani hat im Auftrag der DiGA Smoke Free berechnet, dass rauchbedingte Folgeerkrankungen die deutsche Gesellschaft jährlich 97,24 Milliarden Euro kosten. Allein die deutschen Krankenkassen und -versicherungen investieren pro Jahr 30,32 Milliarden Euro in die Behandlung rauchbedingter Erkrankungen oder in die entsprechenden Medikamente. Sinnvoller und kostengünstiger wäre nach Einschätzung Janis eine Investition in (digitale) Unterstützungsprogramme zur Rauchentwöhnung.

Der Herbst steht vor der Tür und bald wird sich zeigen, wie viel von den „großen Erwartungen“ sich in den gesundheitspolitischen Gesetzen widerspiegeln. Klar ist: Um Tempo im Bereich Daten und Digitalisierung im Gesundheitswesen zu erreichen, sollten aus den Erwartungen nicht Verschiebungen, sondern Realität werden.

Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre.

Jutta Mutschler
Chefredakteurin Market Access & Health Policy

Mediadaten

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