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Frauen im Gesundheitswesen oft benachteiligt

08.03.2022 23:12
Frauen bewerten das deutsche Gesundheitswesen kritischer als Männer. Ihre Skepsis äußert sich vor allem im Urteil zur Krankenhausversorgung: Lediglich 57 Prozent der Frauen erklären sich damit zufrieden, während es unter den Männern 69 Prozent sind. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in der allgemeinen Bewertung des deutschen Gesundheitssystems ab, das 62 Prozent der Männer, aber nur 57 Prozent der Frauen zu den drei besten der Welt zählen. Allgemein macht sich nach rund zwei Jahren Pandemie Ernüchterung breit – die Zustimmungswerte sind gegenüber dem Vorjahr spürbar gesunken. Das sind zentrale Ergebnisse des „Healthcare-Barometers 2022“, einer repräsentativen Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland unter 1.000 Bürger:innen.

„Frauen fühlen sich offenkundig gesundheitlich benachteiligt – ein Ergebnis, das uns alarmieren sollte“, sagt Sevilay Huesman-Koecke, Head of Business Development Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. „Wir müssen Frauen als Zielgruppe stärker in den Blick nehmen, so wie es auch die Gendermedizin fordert. Es darf nicht sein, dass Frauen noch immer in Forschungsstudien unterrepräsentiert sind und ein höheres Komplikations- und Sterberisiko bei Operationen haben. Wir können die medizinische Versorgung nur dann nachhaltig verbessern und die individualisierte Medizin fördern, wenn wir die gesundheitlichen Unterschiede zwischen Frauen und Männern in den Fokus rücken.“

Laut Studienautoren lasse sich aber feststellen, dass die Deutschen den Gesundheitssektor wieder kritischer beurteilen: Aktuell zählen nur noch 59 Prozent der Befragten das System zu den Top 3 der Welt – vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 72 Prozent. „Aus meiner Sicht war der hohe Zustimmungswert aus dem vergangenen Jahr ein Ausreißer, der auf die ersten Erfolge in der Pandemiebekämpfung zurückzuführen ist. Nach zwei Jahren Coronakrise hat sich die Euphorie aber abgekühlt, denn die Pandemie beschäftigt uns weiterhin und die Probleme des deutschen Gesundheitswesens sind immer noch da. Dazu zählen zum Beispiel die sehr langen Wartezeiten für Facharzttermine vor allem in der Psychotherapie“, kommentiert Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland.

Mit Blick auf die Corona-Impfungen zeigt sich, dass Deutschland wie vor eine vergleichsweise niedrige Impfquote habe. Einige Wissenschaftler, Politiker und Institutionen haben daher den Vorschlag eingebracht, dass Ungeimpfte im Falle einer Erkrankung an den Kosten beteiligt werden sollen – ein Gedanke, den die Mehrheit der Deutschen durchaus befürwortet: So können sich 36 Prozent eine Kostenübernahme in jedem Fall vorstellen, 30 Prozent zumindest zu einem bestimmten Anteil. Unter denjenigen, die nicht geimpft sind, ist dieser Anteil mit insgesamt elf Prozent erwartungsgemäß deutlich kleiner. „Insgesamt stellen wir fest, dass aus Sicht der Bürger:innen die Eigenverantwortung gestärkt werden soll“, sagt Michael Burkhart. „Fast jeder Zweite hält es für sinnvoll, dass Menschen mit einer Krankheit, die durch Prävention hätte verhindert werden können, an den Kosten beteiligt werden sollen.“ Diese Forderung unterstützen insbesondere jüngere Zielgruppen.

Krankenhäuser: Zufriedenheit mit Versorgung gesunken

Zwei Jahre Pandemie haben ihre Spuren in der deutschen Krankenhauslandschaft hinterlassen – das wirkt sich auch auf die Bewertung der Versorgung in Kliniken aus. Derzeit beurteilen sie nur noch 63 Prozent als gut oder sehr gut, während in der Vorjahresbefragung noch 72 Prozent Top-Noten gaben. „Aus unserer Sicht schlägt sich in der Bewertung nieder, dass in den Medien immer wieder von einer möglichen Überlastung der Krankenhäuser durch die Pandemie die Rede ist. Eventuell haben die Befragten auch selbst die Erfahrung gemacht, dass Operationen verschoben werden mussten. Allerdings liegt der Zustimmungswert noch immer klar über dem Vergleichswert aus der Zeit vor der Pandemie. Das spricht für die Wertschätzung der Arbeit der Krankenhäuser in der Pandemie“, erklärt Burkhart.

Leicht gestiegen ist laut Studie die Zufriedenheit mit der Arbeit von niedergelassenen Ärzt:innen: So sagen 43 Prozent, dass sie damit einverstanden sind – im Vorjahr waren es 41 Prozent. Als häufigsten Kritikpunkt äußern die Patient:innen, dass die Ärztin oder der Arzt sich zu wenig Zeit nimmt (35 Prozent). Gerade Berufstätige bemängelten außerdem, dass die Öffnungszeiten der Praxen nicht den eigenen Bedürfnissen entsprechen. „In diesem Punkt sehen wir deutlich, dass die Erwartungen der Patient:innen steigen.

Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden grundsätzlich zwei wesentliche Ziele verfolgt: Auf der einen Seite steht die Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität, beispielsweise in der Diagnostik oder durch personalisierte Behandlungen“, so Burkhart. Andererseits gehe es auch um einem verbesserten Service-Standard bei der Terminfindung und Kommunikation, den die Bundesbürger aus anderen Branchen kennen. Notwendig sei deshalb eine „kluge Verzahnung von digitalen Gesundheitsangeboten und der persönlichen Zuwendung durch Ärzt:innen“.

Das sei auch im Sinne der Krankenkassen, deren Arbeit die Studienteilnehmer:innen – wie auch in den Vorjahresbefragungen – wertschätzen. So bezeichnen sich 88 Prozent als zufrieden oder sehr zufrieden. Nahezu ebenso viele, 83 Prozent, bestätigen, dass ihre Krankenkasse alle relevanten Leistungen bezahlt. Der Wert hängt allerdings auch von der Art der Krankenversicherung ab – mit 88 Prozent stimmen privat Versicherte dieser Aussage etwas häufiger zu als gesetzlich Versicherte (83 Prozent).

Pharmabranche: Innovationen weiter vorantreiben

Durch die Pandemie ist laut Studie auch die Forschungsarbeit der Pharmakonzerne stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Erfolge in der Impfstoffentwicklung haben ihnen bereits in der Vorjahresbefragung einen sprunghaften Anstieg an Wertschätzung eingebracht – von 19 auf 35 Prozent ist die Zahl derer gestiegen, die Pharmakonzerne als innovative Unternehmen betrachten. Aktuell ist der Wert mit 33 Prozent immer noch vergleichsweise hoch. „Die Unternehmen haben jetzt die Chance, ihr Image nachhaltig zu verbessern. Denn die Deutschen wünschen sich innovative Produkte, die den Menschen neue Heilungschancen bieten“, so Sevilay Huesman-Koecke.

Ausgabe 02 / 2022