Konkurrenz durch Tech-Konzerne befürchtet
„Aktuell sehen wir bei den gesetzlichen Krankenkassen ein sehr heterogenes Stimmungsbild zwischen Stillstand und Aufbruch. Einige sehen die Digitalisierung als Chance. Andere haben das Thema noch nicht einmal auf der Vorstandsebene verankert“, resümiert Prof. Dr. David Matusiewicz, Studienleiter und Direktor des Instituts für Gesundheit & Soziales (ifgs) der FOM Hochschule.
Von den befragten Krankenkassen befürchten 42 Prozent, dass sie künftig auch mit Tech-Giganten konkurrieren. 30 Prozent gehen davon aus, dass die Konzerne mit neu gegründeten Startups oder eigenen Krankenkassen den Markt betreten. Eine erwartete Konsequenz der verschärften Wettbewerbssituation ist eine Konsolidierung des Marktes. Aktuell gibt es in Deutschland knapp 100 gesetzliche Krankenkassen. Laut der Befragung rechnen 44 Prozent damit, dass sich diese Zahl bis 2030 auf 50 bis 60 reduzieren wird.
„Der Einzug von Apple, Amazon und Co. in den deutschen Gesundheitsmarkt hängt wie ein Damoklesschwert über der Gesundheitsbranche. Gesetzliche Krankenkassen sind schon heute im Wettbewerb um Versicherte und Leistungserbringer. Zusätzliche Konkurrenz durch digital-getriebene Tech-Konzerne unterwirft sie einem bis dato nicht gekannten Stresstest“, sagt Thorsten Weber, Mitherausgeber der Studie und Leiter Beratung GKV bei PwC Deutschland.
Der Veränderungsprozess in Folge der digitalen Transformation bedeutet für die GKV einen Wandel bisheriger Arbeitsabläufe sowie der Unternehmenskultur. Fast alle der Befragten nutzen heute bereits regelmäßig Kollaborationsplattformen für Remote-Work. Die Mehrheit geht von einem weiteren Wandel der Arbeitsweisen bis 2030 aus. Der Ausbildung der Sozialversicherungsfachangestellten (SoFa) wurde hingegen 1993 zuletzt reformiert. Dabei erfordert die Digitalsierung neuen Kompetenzen und Mitarbeiterprofile. Verstärkt gesucht werden Datenanalyst:innen, Datenarchitekt:innen, Digita Media Manager:innen und KI-Expert:innen.
Einige Krankenkassen stehen dem digitalen Wandel offen gegenüber, andere hingegen abwartend. Diese Haltung spiegelt sich in den sehr unterschiedlichen Einschätzungen zur Umsetzungsdauer digital-bezogener politischer Reformen wider. Für 38,4 % sind die Bemühungen zu langsam, für jeweils 30,8 % zu schnell oder mittelmäßig. Die deutlichsten Effekte politischer Rahmenbedingungen erwarten die Befragten im Bereich digitaler Prozesse und einer höheren Vernetzung im Gesundheitswesen.
„Mit der Entstehung eines digitalen Gesundheitsökosystems müssen auch gesetzliche Krankenkassen plattformzentriert denken und Kundenbedürfnisse in den Fokus stellen“, sagt Michael Burkhart, Mitherausgeber der Studie und Leiter Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. „Es geht darum, neue Angebote zu schaffen – von der Online-Geschäftsstelle bis zu digitalen Zusatzleistungen. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren am Markt gewinnt an Bedeutung.“
Mit 88,5 Prozent ist die große Mehrheit der Befragten überzeugt, dass Krankenkassen bis 2030 mehr Kooperationen mit Health-Startups eingehen. Davon profitieren sollen vorrangig die Leistungsnehmer. So erwartet ein Großteil der Befragten Fortschritte im Bereich der Therapie und Nachsorge sowie eine schnellere Diagnostik. Eine mögliche künftige Schwerpunktsetzung der GKV liegt laut der Studie in der Unterstützung einer datengetriebenen Versorgung.