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Konzentration stationärer Leistungen

10.11.2022 10:27
Zehntausende Patient:innen in Deutschland könnten von mehr Qualität bei Hüft-, Knie- und Herzoperationen profitieren und vor Gelegenheitschirurgie bewahrt werden. Dabei müssten sie nur geringfügig längere Fahrzeiten zur Klinik in Kauf nehmen. Das geht aus dem aktuellen Krankenhausreport der Barmer hervor, der im September in Berlin vorgestellt wurde. Darin wurde für fünf Prozent der Hüft- und Knieoperationen sowie für drei Prozent der Herzinfarkteingriffe geprüft, ob sie sich von Standorten mit der geringsten Routine an Kliniken mit höheren Fallzahlen verlagern lassen. Dort haben die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal in der Regel eine höhere Expertise.

Bereits bei diesen niedrigen Schwellenwerten könnten pro Jahr mindestens 18.000 der insgesamt mehr als 500.000 Hüft- und Knie-OPs an anderen Standorten durchgeführt werden, ohne dass sich die Fahrzeit für die Patienten deutlich verlängert. Analog ließen sich von den rund 400.000 Eingriffen am Herzen über 8.000 verlagern.

Durch höhere Schwellenwerte könnten sogar noch deutlich mehr Eingriffe an Kliniken mit mehr Expertise erfolgen, ohne dass die Erreichbarkeit darunter leide. „Auch vor der angestrebten Reform der Krankenhausversorgung können bereits heute durch die konsequente Verlagerung von Operationen in Kliniken mit mehr Erfahrung und besserer Ausstattung Qualität und Patientensicherheit deutlich erhöht werden. Diese Potenziale gilt es jetzt im Sinne der Patienten konsequent zu heben“, sagte Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Mit einer tiefgreifenden Reform der Krankenhausversorgung samt Neuausrichtung der Krankenhausplanung wären darüber hinaus systematische bedarfs- und qualitätsorientierte Konzentrationsprozesse im Sinne der Patienten umsetzbar.

Immer noch gebe es in Deutschland viele Kliniken, die in einzelnen Leistungssegmenten nur sehr wenige Behandlungen pro Jahr durchführten. Exemplarisch habe der Krankenhausreport zwei Bereiche analysiert, nämlich die Endoprothetik und Osteosynthese an Knie und Hüfte sowie die Kardiologie und Kardiochirurgie zur Behandlung des Herzinfarkts. Für die Berechnungen seien Eingriffe hypothetisch aus den Krankenhäusern mit wenigen Fallzahlen in solche mit höheren Fallzahlen verlagert worden. Im Anschluss hätten die Autoren des Reports die Fahrzeiten der Patient:innen bestimmt. Laut den Ergebnissen ließen sich die Hüft- und Knieeingriffe von 192 Standorten mit unter 187 Eingriffen pro Jahr verlagern, ohne dass maßgeblich längere Anfahrtswege entstünden. Lediglich bei 76 Kliniken wäre dies nicht möglich.


Ähnlich zeichne sich das Bild bei den Eingriffen am Herzen ab. Hier ließen sich Eingriffe von 137 Krankenhäusern ohne spürbar längere Anreisen verlagern. Lediglich bei 74 Kliniken wäre dies nicht machbar. „Die Verlagerung von Operationen hat nur einen geringfügigen Einfluss auf die Fahrzeiten. Dem stehen erwartbare Qualitätssteigerungen in der Behandlung gegenüber. Wo immer eine Verlagerung möglich ist, sollte sie daher erfolgen. Unsere Berechnungen haben dabei berücksichtigt, dass sich die Fahrzeit für niemanden auf über 40 Minuten erhöht“, sagte der Autor des Krankenhausreports, Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Laut dem Krankenhausreport sind die Potenziale zur Verlagerung von Operationen regional sehr unterschiedlich. Besonders in Ballungszentren Nordrhein-Westfalens, Bayerns und Hessens sowie in den Stadtstaaten könnten ohne Probleme viele Eingriffe verlagert werden, weil zahlreiche andere Häuser in relativ geringer Distanz vorhanden sind. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen stellt sich die Situation hingegen anders dar. Aufgrund der geringeren Klinikdichte seien hier Verlagerungen nur begrenzt möglich. „In manchen Bundesländern gibt es weniger Potenzial für Verlagerungen. Aber auch hier kann die Qualität der Versorgung signifikant verbessert werden. Die Barmer hat in ihrem 10-Punkte-Papier zur sektorenübergreifenden Versorgung einige Vorschläge gemacht, wie auch in diesem Fall die Versorgung optimiert werden kann“, sagte Straub. Dabei gehe es um regionale Versorgungszentren, in denen ortsnah sowohl die ambulante Behandlung als auch die Grund- und Notfallversorgung gewährleistet werde.

Ausgabe 06 / 2022