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Patientensicherheit nach Operationen erhöhen

08.03.2022 23:10
Um ein Höchstmaß an Sicherheit und medizinischer Versorgungsqualität zu garantieren, sollen in Deutschland komplexe operative Eingriffe nur in Kliniken durchgeführt werden, die jährlich eine Mindestanzahl dieser erreichen. Hierzu legt der G-BA seit 2004 regelmäßig eine Mindestmengenvorgabe vor. Die Anzahl der jährlich in einem Krankenhaus durchgeführten Operationen wird damit als Qualitätsmesser der Behandlung genutzt. Um die chirurgische Qualität genauer zu messen, haben Mediziner:innen der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und des Viszeralonkologischen Zentrums am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) einen Marker für die Behandlungsqualität vorgestellt, der relevante individuelle Patientenrisikofaktoren sowie die Qualität des einzelnen Krankenhauses berücksichtigt: die Risiko-standardisierte Krankenhaussterblichkeit (Risk Standardized Mortality Rate, RSMR).

Die RSMR basiert laut Forschungsteam darauf, wie viele Patient:innen in Folge bestimmter Operationen in einem Krankenhaus versterben, und beziehe dafür das Risikoprofil der Behandelten (wie zum Beispiel wichtige Begleiterkrankungen) in die Berechnung ein. Für ihre Analysen nutzten die Mediziner bundesweite Krankenhausabrechnungsdaten, die über das Fallpauschalensystem erhoben wurden. In diesem System werden sogenannte diagnosebezogene Fallgruppen (diagnosis related groups, DRG) eingeordnet und abgerechnet.

Gespeichert sind hier Daten zur Erkrankung, Haupt- und Nebendiagnosen, operative Maßnahmen und Entlassungsdaten. Insgesamt werteten die Forschenden Daten von knapp einer halben Million Patient:innen aus ganz Deutschland aus, die zwischen Januar 2010 und Dezember 2018 im Rahmen einer Krebserkrankung operiert wurden. Anschließend verglichen sie die Ergebnisse mit dem Volumen-basierten Bewertungsmodell.
„Die international besetzte Arbeitsgruppe zeigte, dass deutschlandweit nahezu kein Krankenhaus mit sehr niedriger Fallzahl ein sehr gutes Behandlungsergebnis erzielt, jedoch auch mindestens die Hälfte aller Kliniken mit sehr hohen Patientenfallzahlen nicht zwingend die bestmögliche Behandlungsqualität erreichen“, berichtet Professor Dr. Hauke Winter, Chefarzt der Thoraxklinik Heidelberg am Universitätsklinikum Heidelberg und Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie.

Dies bedeute, dass mit hohen Fallzahlen nicht automatisch eine niedrige Patientensterblichkeit erzielt werde. Andersherum konnten auch einige Krankenhäuser mit mittleren Fallzahlen gute Operationsergebnisse erzielen. „Dies liegt daran, dass die Operationsqualität vielschichtig ist und nicht nur von der Patientenmenge abhängig ist. Letztere beeinflusst zwar die Erfahrungen und Routine des Personals, für den Erfolg der Operation spielen aber auch Faktoren wie die Aus- und Weiterbildung, die tatsächliche Verfügbarkeit eines multidisziplinären Teams und ein gutes Komplikationsmanagement eine wesentliche Rolle“, sagt Professor Dr. Armin Wiegering, stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt der Chirurgischen Klinik I des UKW.

„Die Festlegung der Mindestmengen und deren Bedeutung als alleiniger Qualitätsparameter für komplexe Eingriffe wurde immer wieder diskutiert und hat sich international nur teilweise durchgesetzt. Der von uns untersuchte neue Parameter berücksichtigt nun nicht nur reine Fallzahlen, sondern die konkrete Behandlungsqualität des Krankenhauses nach Krebsoperationen“, resümiert Dr. Philip Baum Erstautor der Studie und Arzt in der Thoraxchirurgie, Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg.

Das Forschungsteam hat darüber hinaus sämtliche Fahrtzeiten mit dem Auto zum jeweiligen Krankenhaus berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Patient:innen nicht automatisch in das nächst gelegene Krankenhaus fahren, sondern häufig ein weiter entferntes wählen. Gemäß dem RSMR-Parameter führen mehr Krankenhäuser eine sicherere Behandlung durch, als nach dem Mindestmengenparameter. Dies bedeutet in der Praxis, dass in einem Zentralisierungsmodell nach RSMR mehr Krankenhäuser in Deutschland mit guten Ergebnissen existieren. Dadurch würde in einem nationalen Zentralisierungsmodell die Fahrtzeit deutlich kürzer ausfallen, wenn die Patient:innen das Wunsch-Krankenhaus nach dem RSMR-Parameter im Vergleich zum Mindestmengen-Parameter auswählen.

Die aktuelle Studie ist auf planbare Eingriffe bei Krebspatient:innen beschränkt, was etwa fünf Prozent aller Operationen in Deutschland entspricht. Das Team möchte in weiteren Studien an der Verbesserung der Patientensicherheit und der chirurgischen Qualität arbeiten.

Ausgabe 02 / 2022