Editorial
Die Signale aus der Industrie sind in der Politik offensichtlich angekommen: Am 24. Oktober hat der Bundeswirtschaftsminister Habeck ein Strategiepapier präsentiert. Ziel ist es, Deutschland wieder als starken Industriestandort zu positionieren. Die Industrie sei nicht nur wirtschaftlich bedeutend, sondern trage auch „entscheidend zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei und auch zu ihrer demokratischen Stabilität“, erklärte Robert Habeck bei der Vorstellung der Industriestrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Prof. Dr. Moritz
Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), begrüßt, dass in dem Papier die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für den Industriestandort Deutschland betont werde ebenso wie die Notwendigkeit qualifizierter Zuwanderung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Positiv ist auch die erklärte Absicht, unnötige Bürokratie abzubauen und Planungs- und Genehmigungsprozesse zu vereinfachen und Industriepolitik im europäischen Kontext zu verankern“, so Schularick. „Dies sind zweifellos wichtige Schritte, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu fördern und den zukünftigen wirtschaftspolitischen und geoökonomischen Herausforderungen zu begegnen.“
Dieses Papier dürfte sicherlich auch bei Olaf Weppner, Chef des Deutschlandgeschäftes des Pharmakonzerns AbbVie, Gefallen finden. Bei der 12. Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare sprach er über die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, das Ende des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist: „Jetzt bekommen wir die Folgen so langsam zu spüren“, denn es gebe mittlerweile schon vier innovative Medikamente, die wegen dieses Gesetzes in Deutschland nicht in den Markt eingeführt worden seien. „Der strategische Schaden, der dem Standort Deutschland durch dieses Gesetz entsteht, ist bemerkenswert hoch“, erklärte Weppner. Es gebe bereits Warnsignale aus der Industrie, die zeigten, „dass wir Gefahr laufen, unser Potenzial zu verschenken und abgehängt zu werden“. Offensichtlich sind diese Warnsignale in Berlin gehört und ernst genommen worden.
Das bereits erwähnte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wird in einem Beitrag von Professor Ralph Tunder und Dominik Sachse, von der Deutschen Fachgesellschaft für Market Access, genauer unter die Lupe genommen. Die beiden Experten zeichnen in ihrem Fazit ein eher düsteres Bild: „Durch die signifikant verschlechterte Ausgangslage in Deutschland steigt das Risiko, dass die Pharmaindustrie Investitionsreduktionen vornimmt und somit die Innovationsfreudigkeit in Deutschland eingebremst wird. [...] Mit dem eigentlichen Ziel, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen, verteilt das Gesetz die Last zunehmend auf den Schultern der Pharmaindustrie.“
Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre.
Jutta Mutschler
Chefredakteurin Market Access & Health Policy