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PHAGRO beklagt prekäre Versorgungssituation

29.08.2023 15:57
Der vollversorgende pharmazeutische Großhandel schlägt Alarm: Bei 85 Prozent der für die kommende Herbst-/Wintersaison dringend benötigten Arzneimittel reichten die derzeit verfügbaren Bestände nicht einmal für zwei Wochen. Wie der Bundesverband PHAGRO in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach klar macht, ist es „objektiv unmöglich, diese Arzneimittel bei der pharmazeutischen Industrie zu beschaffen, geschweige denn Lagerbestände aufzubauen“.

Seine Angaben bezieht der PHAGRO auf eine kürzlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte, rund 400 Arzneimittel umfassende, Dringlichkeitsliste für die kommenden Monate. Darunter sind zahlreiche Antibiotika und Arzneimittel für Kinder, die zum Teil seit länger als einem Jahr knapp oder nicht verfügbar sind.

Für den Verband ist bereits die aktuelle Versorgungssituation vor Beginn der Herbst /Winter-saison „äußerst prekär“. Belegt werde diese Aussage  mit folgenden Fakten:

  • Mehr als ein Viertel der Dringlichkeits-Arzneimittel konnte in den vergangenen Monaten vom Großhandel gar nicht beschafft werden, weil die pharmazeutische Industrie keine Ware zur Verfügung stellen konnte.
  • Ein Achtel der gelisteten Präparate sind von den Herstellern außer Vertrieb gesetzt worden oder werden nicht mehr in den Verkehr gebracht.
  • Bei mehr als der Hälfte der Dringlichkeits-Arzneimittel liefern die pharmazeutischen Unternehmen nur 20 Prozent der vom Großhandel angeforderten Ware aus.
  • Alternative Beschaffungswege, z.B. durch das Verbringen bzw. den Import von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln aus anderen EU-Mitgliedsländern und Drittstaaten, können, wenn möglich, nur im Einzelfall zu einer Verbesserung der Versorgungssituation führen.


Lediglich bei zehn Prozent der genannten Arzneimittel sieht der PHAGRO noch Rest-Chancen, die aktuelle Lage verbessern zu können. „Alle weiteren Möglichkeiten unsererseits sind vollständig ausgeschöpft“, schreiben der Verbands-Vorsitzende Marcus Freitag und sein Stellvertreter Lothar Jenne an den Bundesgesundheitsminister. Sie fordern Lauterbach auf, „die Ursachen der Liefer- und Versorgungsengpässe zu bekämpfen, indem Sie die pharmazeutische Industrie durch eine Förderung der Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln unterstützen und die für ein bedarfsgerechtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln notwendigen Aufwendungen aller an der Arzneimittelversorgung Beteiligten, d.h. von Industrie, Großhandel und Apotheken adäquat gegenfinanzieren“.

Mit seinem Schreiben reagiert der Brancheverband auf die wiederholt öffentlich und in einem Schreiben an den Bundesverband vorgetragenen Forderungen des Bundesgesundheitsministers, der pharmazeutische Großhandel solle seine Anstrengungen intensivieren, Dringlichkeits-Arzneimittel zu beschaffen und zu bevorraten. Da dadurch öffentlich der Eindruck entstanden sein könnte, der vollversorgende pharmazeutische Großhandel sei mitverantwortlich für Lieferengpässe und Knappheiten bei Arzneimitteln, hat der PHAGRO-Vorstand beschlossen, den Brief an den Bundesgesundheitsminister im Wortlaut zu veröffentlichen.