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Alzheimer im Gehirn sichtbar machen: PET-Scans als Schlüssel zu neuen Therapien

11.04.2024 10:20
Laut aktueller Prognosen wird die Zahl von Demenzerkrankungen in Deutschland bis 2050 auf 2,4 Millionen steigen. Davon macht die Alzheimer-Demenz etwa zwei Drittel aus. Eine exakte und schonende Erkennung der Ursache ist bereits im frühen Stadium mithilfe von Amyloid-PET (Positronen-Emissions-Tomographie) möglich und wird von der S3- Leitlinie „Demenz“ mit höchster Evidenz empfohlen, wenn eine eindeutige Diagnose nicht gestellt werden kann. Derzeit werden die Kosten für diese Untersuchung nicht von der GKV übernommen. Zumindest für einen kleinen Teil der jährlich etwa 300.000 neu an Demenz Erkrankenden könnte sich dies im Mai ändern.

Wir können mehr für die wachsende Zahl von Menschen tun, die an der Alzheimer-Demenz erkranken. Ein wichtiger Schritt dorthin wäre die Erstattung und konsequente Anwendung von PET-Scans zum Nachweis der Alzheimer-auslösenden Amyloid-Plaques im Gehirn, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen – auch schon in frühem Stadium. Das ist das Credo des Pressegesprächs „Alzheimer im Gehirn sichtbar machen – PET-Scans als Schlüssel zu neuen Therapien“ der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, das am 10.04.2024 im Berliner Haus der Bundespressekonferenz stattfand.

Sechs ausgewiesene Experten – darunter Nuklearmediziner, Neurologen und Psychiater – stellten den Stand der Technik, die Empfehlungen der S3-Leitlinie „Demenz“ und die täglichen Herausforderungen im klinischen Alltag bei der Diagnostik und Therapie der Alzheimer-Demenz dar. Eine Patientin schilderte, wie sie die Einschränkungen ihres Alltags durch ihre Erkrankung erlebt. Gastgeber der Konferenz war Prof. Dr. med. Markus Luster, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin und Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Marburg. Er hob die führende Rolle Deutschlands in der nuklearmedizinischen Forschung und Entwicklung hervor.

Mit erfolgreichen Projekten wie der ENABLE-Studie zur Alzheimer-Diagnostik und der Prostatakarzinom- Theranostik trage das Land maßgeblich zur Gestaltung zukünftiger medizinischer Innovationen bei. Dennoch habe die Technologie hierzulande mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, so Prof. Luster. Ein Beispiel dafür erläuterte Prof. Dr. med. Lars Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg: „Die neue S3-Leitlinie ‚Demenzen‘ empfiehlt PET-Scans zur Diagnostik von Amyloid-Plaques mit höchster Evidenzstufe, wenn nach klinischer und neuropsychologischer Untersuchung und ggf. Liquorbiomarkern die Diagnose Alzheimer nicht eindeutig gestellt werden kann“, so Prof. Timmermann. Jedoch scheitere die Umsetzung in der Praxis immer wieder daran, dass die Erstattung der Technologie zu restriktiv gehandhabt werde und die dafür erforderliche, schwach radioaktiv markierte Spürsubstanz 18F-Amyloid oft nicht rechtzeitig zur Verfügung stehe. Dadurch verzögere sich nicht nur eine exakte Diagnose, sondern in der Folge auch eine gezielte Therapie.

Einen herausragenden konkreten Nutzen der PET in der Alzheimer-Diagnose sieht Prof. Dr. med. Alexander Drzezga, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Köln und Direktor des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-2) am Forschungszentrum Jülich darin, dass die PET „die erste nichtinvasive Technologie ist, die beim lebenden Menschen Ort, Art und Menge zentraler Neuropathologien der Alzheimer-Erkrankung direkt im Gehirn nachweisen kann.“ So könne die Alzheimer- Erkrankung eindeutig von anderen Ursachen der Demenz unterschieden und viel früher, auch vor dem Stadium der manifesten Demenz, diagnostiziert werden. Die PET-Technologie habe die erfolgreiche Etablierung neuer Therapieverfahren erst ermöglicht, weil sie die für eine bestimmte Therapieform geeigneten Patienten zu identifizieren helfe.

Auch für die Entscheidung zwischen bereits zugelassenen Therapien leiste sie wichtige Hilfestellungen. „Die deutlichen Versorgungslücken bei der Diagnose von Demenzen und Demenzursachen behindern den Zugang Betroffener zu spezifischer Therapie, zu Risikoreduktion und individueller Beratung und Unterstützung“, fasst Prof. Dr. med. Stefan Teipel, Leiter der klinischen Demenzforschung und stellv. Standortsprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Rostock/Greifswald die Situation zusammen. Das erhöhe das Risiko für Hospitalisierung und überlaste die Angehörigen.

Im Mai 2024 solle nun die ENABLE-Studie starten, die an 1.126 Patientinnen und Patienten den Zusatznutzen der Amyloid-PET im Vergleich zur S3-Leitliniendiagnostik ohne Amyloid-PET zeigen soll. So solle die Studie eine evidenzbasierte Entscheidung zur Organisation und Finanzierung der Demenzdiagnostik in Deutschland unterstützen.