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Eingeschränkte Therapiefreiheit zu Lasten der Krebspatienten

26.02.2016 21:44
Bei der medikamentösen Versorgung von Krebspatienten in Deutschland werde seit Neuestem versucht, wirksame Therapien gezielt von der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung auszunehmen, erklärte der Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland – BNHO e. V anlässlich des Deutschen Krebskongresses am 24. Februar in Berlin und warnt vor dieser „Rationierung durch die Hintertür“.

Fünf Jahre nach Einführung des AMNOG sei mittlerweile „zu beobachten, dass das als Instrument der Preisfindung zwischen Industrie und GKV entwickelte AMNOG-Verfahren dafür missbraucht wird, die Erstattung wirksamer Medikamente bei Krebspatienten einzuschränken und damit in die Therapiefreiheit des Arztes fundamental und unzulässig einzugreifen“, betonte der BNHO-Vorsitzende Prof. Dr. Stephan Schmitz. Hoch wirksame Krebsmedikamente sollen nur noch Krebspatienten zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen, bei denen das AMNOG-Verfahren einen Zusatznutzen gegenüber (kostengünstigeren) Vergleichstherapien bescheinigt hat. Damit wäre ein Medikament ohne Zusatznutzen bei Patienten trotz nachgewiesener Wirksamkeit nicht verordnungsfähig, moniert Schmitz.

Konkret enthalte beispielsweise die Arzneimittelvereinbarung zwischen der KV Bayern und bayerischen Krankenkassen einen Passus, wonach „Arzneimittel, bei denen der Gemeinsame Bundesausschuss einen Zusatznutzen festgestellt hat, […] grundsätzlich nur in den Anwendungsgebieten mit Zusatznutzen verordnet“ werden sollen. „Damit wird versucht, in die Therapiekompetenz des Arztes einzugreifen und aus Kostengründen unter dem Mantel einer ‚wirtschaftlichen Verordnung’ Krebspatienten wirksame Medikamente vorzuenthalten. Hier liegt ganz klar eine nicht zulässige Rationierung vor, die die Versorgung verschlechtern und letztlich Leben kosten kann“, betonte Dr. Robert Dengler, Geschäftsführer des BNHO Bayern.

Für die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns betonte Johann Fischaleck, dass das AMONG weder den Stellenwert neuer Arzneimittel innerhalb des medizinischen Standards noch innerhalb der Leitlinien festlege: „Dies müssen die Fachgesellschaften leisten“, so Fischaleck. Seien zwei Interventionen medizinisch vergleichbar, müsse allerdings die kostengünstigere eingesetzt werden.

Der BNHO schließe sich dieser Auffassung im Prinzip an, verwahre sich aber dagegen, dass Medikamente nur wegen eines nicht nachgewiesenen Zusatznutzens aus der Erstattung genommen werden. Auch ohne Nachweis eines Zusatznutzens handele es sich um hoch wirksame, arzneimittelrechtlich zugelassene Medikamente. „Gerade bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen ist es häufig notwendig, dass es verschiedene wirksame Medikamente für die Patienten gibt, die in Kombination oder sequenziell eingesetzt werden können. Nur so erreicht man lange Remission. Krebsmedikamente wirken am Anfang häufig sehr gut, dann entwickeln sich aber Resistenzen, und man braucht ein weiteres Medikament – ein wirksames Medikament und nicht nur ein Medikament, das im AMNOG-Verfahren einen Zusatznutzen gezeigt hat“, betonte Schmitz. „Die Entscheidung über diese patientenindividuelle Therapie muss auch in Zukunft allein beim Arzt liegen.“

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