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Videobehandlung kann kein Ersatz für wohnortnahe Versorgung sein

15.08.2023 17:40
„Psychotherapeutische Videobehandlungen müssen sich individuell am Bedarf der Patient*innen orientieren. Es muss möglich sein, je nach Indikation jederzeit zwischen Präsenzterminen und Videokontakten zu wechseln“, sagt Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). In einer Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz/DigiG) spricht sich der Verband daher gegen eine komplette Freigabe der Videosprechstunden aus.

„Der Face-to-face-Kontakt ist in vielen Fällen notwendige Vorrausetzung für eine patientensichere, ambulante Psychotherapie. Wir fordern daher, dass ein wohnortnahes Versorgungsangebot durch Vertragspsychotherapeut*innen sichergestellt wird. Eine Öffnung der psychotherapeutischen Versorgung für die Videobehandlung muss von Qualitätskriterien begleitet werden. Dazu gehören eine Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlungsplanung und ggf. Notfallbehandlung in Präsenz, sowie die Möglichkeit, die reguläre Psychotherapie im face-to-face-Kontakt durchzuführen, entsprechend der individuellen Indikation.

Psychotherapeuten als zentrale Anlaufstelle in Präsenz verfügbar

„Die bisherigen Erfahrungen mit psychotherapeutischen Videositzungen zeigen, dass sie eine hilfreiche und sinnvolle Ergänzung sein können. Psychotherapeut*innen können je nach Situation Videositzungen nutzen – bleiben aber als zentrale Anlaufstelle wohnortnah und in Präsenz verfügbar. Nicht alle psychotherapeutischen Techniken lassen sich gleichermaßen gut per Video umsetzen. Auch die diagnostische Einschätzung wird in Präsenzkontakten als deutlich zuverlässiger angesehen“, betont Hentschel. Keinesfalls dürfe eine Situation entstehen, dass Patient*innen in unterversorgten Gegenden nur noch eine „virtuelle Versorgung“ erhielten. „Auch die AOK teilt diese Befürchtung“, ergänzt Hentschel.

Reine Video-Therapie-Anbieter sieht die DPtV daher kritisch: „Bei Programmen wie etwa ,Minddoc‘ findet das Erstgespräch in Präsenz statt. Anschließend geht es mit einer/m anderen Psychotherapeut*in weiter, die/den man nie Face-to-face gesehen hat“, kritisiert Dr. Enno Maaß, Stv. DPtV-Bundesvorsitzender. Auch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) störe sich an solchen Konstrukten einer Fragmentierten Behandlung und verweise auf Berufs- und Vertragsarztrecht. „Diese sehen unter anderem vor, dass Psychotherapeut*innen bei akuten Krisen jederzeit in Präsenz eingreifen können müssen. Bei einer reinen Fernbehandlung ist das nicht möglich.“