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Freie Ärzteschaft kritisiert Lauterbachs Ignorieren des 7-Punkte-Forderungskatalogs der KBV

10.10.2023 13:41
Mitte August übergab die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) dem Gesundheitsministerium in Berlin einen 7-Punkte-Katalog mit Forderungen der Praxen an die Politik im Sinne einer trag- und zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung in Deutschland. Zu diesem Forderungskatalog, der auch von der Freien Ärzteschaft (FÄ) inhaltlich unterstützt wurde, äußerte sich Karl Lauterbach kürzlich öffentlich dahingehend, dass er "viele Schreiben und Forderungen aus Selbstverwaltung und Politik auf den Tisch bekomme". Eine inhaltliche Stellungnahme Lauterbachs zu den KBV-Forderungen steht indes weiter aus. Eine Tatsache, die laut FÄ-Vorsitzendem Wieland Dietrich drastische Folgen für Praxen und Patienten haben wird.

"Die Ignoranz des Ministers und sein fast schon abfälliger Umgang mit dem Forderungskatalog werden zu deutlichen und spürbaren Leistungseinschränkungen in der ambulanten GKV-Medizin führen", ist Wieland Dietrich überzeugt. Fest macht er das vor allem an drei KBV-Forderungen, deren fehlende Umsetzung nach Ansicht der Freien Ärzteschaft die Versorgungssituation von Kassenpatientinnen und -patienten künftig weiter verschlechtern wird: Bereitstellung einer tragfähigen Finanzierung mit Inflationsausgleich, Entbürokratisierung und Abschaffung von Regressen. "Krank zu werden, können sich GKV-Mitglieder bald kaum mehr erlauben – denn das Kassensystem sieht künftig offenbar nur noch eine Basisversorgung vor", so das Fazit des Essener Dermatologen. Das bezöge sich sowohl auf die ärztliche Honorarsituation als auch auf die anzubietenden Leistungen für gesetzlich Versicherte.

Vielen Vertragsärzten stoße diese Situation mehr und mehr auf, weiß Dietrich, und hält es für unvermeidlich und sachgerecht, dass die "ministeriale Ignoranz" nun in vielen Praxen zu konkretem Handeln führen wird.

Gesundheitspolitik fördert die Zwei-Klassen-Medizin!

"Wenn die Budgetierung von ärztlichen Honoraren nicht abgeschafft und außerdem kein Inflationsausgleich vorgenommen wird, müssen viele Praxen ihr Leistungsangebot für GKV-Patienten künftig einschränken, um überlebensfähig zu bleiben", ist sich der FÄ-Vorsitzende sicher. Dazu zählten beispielsweise kürzere Sprechstundenzeiten für die gesetzlichen Krankenkassen bis hin zu einer 4-Tage-Woche mit damit verbundenen noch längeren Wartezeiten auf einen Termin, oder auch aufgrund von Personalabbau eingeschränkte Leistungen (z.B. weniger EKGs oder Langzeit-Blutdruckmessungen) bei parallel mehr Leistungsangeboten in der Privat- und Selbstzahlermedizin. "Erstaunlich, dass gerade ein SPD-Gesundheitsminister damit der Zwei-Klassen-Medizin deutlich Vorschub leistet", konstatiert Wieland Dietrich.

Ärzte müssen Bürokratieabbau selbst in die Hand nehmen

Auch der seit Jahrzehnten überfällige Bürokratieabbau, ebenfalls Bestandteil des 7-Punkte-Plans der KBV, werde von Karl Lauterbach erkennbar nicht auf den Weg gebracht – im Gegenteil werde die zwangsweise verfolgte elektronische Patientenakte zu einem massiven, weiteren Bürokratiezuwachs in Praxen und Kliniken führen.

"Niedergelassene werden daher nicht umhin kommen, die praxisinterne Entbürokratisierung selbst in die Hand zu nehmen, beispielsweise durch Nichtbeantwortung von Kassenanfragen (z.B. zu AU-Verlängerungen und Krankengeld) – außer bei Anliegen, die unmittelbar wichtige Patienteninteressen betreffen". Weiter komme eine Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) zum Zwecke der Bürokratievermeidung überhaupt nicht infrage, und es sollten aus demselben Grund auch keine Termine mehr über die Terminservicestellen der KVen angeboten werden. Denn auch dieser Prozess sei aus Sicht der Freien Ärzteschaft nicht zweckmäßig und bürokratisch überfrachtet; zudem würden über 30 Prozent der über die KVen vermittelten Termine gar nicht wahrgenommen.

Die Freie Ärzteschaft geht davon aus, dass die Mehrheit der Vertragsärztinnen und -ärzte die elektronischen Patientenakten nicht befüllen wird, denn ein noch Mehr an Bürokratie werde die ohnehin prekären Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten noch weiter erschweren.

Kostenerstattung statt Regressgefahr

Sollten Arzneimittelregresse und Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht abgeschafft werden, rät die Freie Ärzteschaft dazu, im Sinne einer sicheren Regressvermeidung künftig mehr Privatrezepte an Kassenpatientinnen und -patienten auszugeben, die diese dann per Kostenerstattungsverfahren nach §13 Sozialgesetzbuch V bei ihrer Krankenkasse einreichen könnten. Schließlich sei das Kostenerstattungsverfahren für ärztliche Behandlungen oder auch für Medikamente ein Wahlrecht der GKV-Patienten.

Dies sei eine notwendige Abhilfe zur Regressvermeidung, denn laut Dietrich könnten Vertragsärzte das Kostenrisiko auch infolge vieler neuer, sehr teurer Medikamente künftig nicht mehr tragen. Dies sei für Ärzte aus ethischer Sicht auch überhaupt nicht zumutbar, und "es ist überfällig, hier Patienten und Krankenkassen über das Kostenerstattungsverfahren mit in die Pflicht zu nehmen", erklärt der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft e.V.