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Quitterer: Gesundheitspolitische Forderungen an die Bayerische Staatsregierung

18.10.2023 08:17
Zum Start der Koalitionsverhandlungen zwischen CSU und Freien Wählern fordert Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), auf dem Bayerischen Ärztinnen- und Ärztetag ein klares Bekenntnis für den ärztlichen Berufsstand und nennt dabei unter anderem folgende Themen:

1. Krankenhausreform

Die stationäre Versorgung und die Krankenhäuser seien ganz klar ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge und von daher sei es geboten, zügig geeignete Reformen umzusetzen. Die geplante Einführung einer Vorhaltevergütung für die Kliniken sei wichtig. Dadurch könnten Krankenhausstrukturen künftig unabhängig von der Leistungserbringung bereitgestellt werden. Keine gute Idee sei es, die Fallpauschalen zu Gunsten einer Vorhaltevergütung abzusenken. Auf diese Weise wirkten Fehlanreize weiter, die schon bisher zu einer massiven Schieflage in unserem Gesundheitssystem geführt hätten. "Die Bayerische Staatsregierung muss sich auch künftig in Berlin dafür stark machen, dass die Länderkompetenzen in der Krankenhausplanung erhalten bleiben", so Quitterer.

2. Ambulanter Bereich als Pfeiler der Versorgung

"Wir Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung sind Pfeiler der Versorgung, unsere Praxen sind Weiterbildungsstätten - zudem sind wir Arbeitgeber für mehr als 76.000 Medizinische Fachangestellte (MFA) in Bayern", so Bayerns Ärztekammerpräsident. Im haus- und fachärztlichen Bereich fänden sich keine Nachfolgerinnen und Nachfolger mehr für die Praxen, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr passten. "Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Ertrag, überbordender Bürokratie und dem Zwang zur Anwendung einer dysfunktionalen Telematik-Infrastruktur mit Androhung von Strafzahlungen", sagt Quitterer und fordert von der künftigen Bayerischen Staatsregierung die konsequente Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine Niederlassung.

3. Bürokratieabbau

Eine essenzielle Forderung an die neue Bayerische Staatsregierung sei für Quitterer die Entbürokratisierung. "Für den zunehmenden Bürokratiedschungel in den Praxen nenne ich nur die neuen Vorgaben zur Erfassung von Patientendaten in die elektronische Patientenakte: In didaktisch und semantisch interoperabler Form sollen diese aufbereitet und eingegeben werden, was für die Praxen einen exponentiellen Zuwachs an Aufwand bedeutet." Daher sollten künftig für jede neue Vorschrift oder Regelung zwei alte entfallen.

4. Patientensteuerung

Auch eine sinnvolle Patientensteuerung gehöre in den Forderungskatalog. Es müsse wieder ein Einklang von (überbordender) Inanspruchnahme und (schwindenden) Ressourcen hergestellt werden. "Derzeit stellen wir fest, dass ein ungesteuerter Zugang zum Gesundheitswesen dieses solidarisch finanzierte System an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit bringt: Jeder zu jeder Zeit überall von jedem alles ist nicht mehr möglich. Die BLÄK fordert deshalb eine Besinnung auf die im Sozialgesetzgebung vorgegebene Formulierung, dass die Behandlung wirtschaftlich, ausreichend, und zweckmäßig sein soll und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf."

5. Elektronischen Patientenakte (ePA)

Neben einer transparenten Umsetzung - welche Daten werden vom wem zu welchem Zweck und wie lange verwendet - und hohen Standards beim Datenschutz seien fein differenziertere Widerspruchsmöglichkeiten unerlässlich. Eine granulare Einwilligung zur ePA müsse barrierefrei möglich sein. Dies stehe für die Freiheit und die Verantwortung in der ärztlichen Profession und damit für aktiven Patientenschutz, sagte der Präsident zum Thema Digitalisierung.

6. Arzneimittelknappheit

Ein weiteres drängendes Problem sei aktuell die Arztmittelknappheit, die sich in diesem Herbst und Winter 2023/24 noch verstärken dürfte. Die Diversifizierung der Beschaffung samt kluger Lagerhaltung der Arzneimittel sei das Gebot der Stunde. Ebenfalls fordert Quitterer die neue Staatsregierung auf, sich für eine Rückverlagerung der Produktion von kritischen Arzneimitteln nach Europa, ausgerichtet auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, sowie für einen Ausbau der Lagerhaltung einzusetzen. Auch sei die Zeit reif für ein "Fair-Trade-Siegel".

7. Prävention und Klimawandel

Quitterer plädiert wiederholt und eindringlich für eine frühzeitige Stärkung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen in Kindergärten und Schulen durch Aufnahme entsprechender Bildungsinhalte in die Lehrpläne. "Wir brauchen eine enkeltaugliche Gesundheitspolitik", betont Quitterer zum Thema Klimawandel. Dazu gehöre neben dem Ausbau der Prävention auch der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Gesundheitsschutz für die Zukunft bedeute deshalb nicht nur weiterhin ein aktives Bekenntnis der neuen Bayerischen Staatsregierung zum Umweltschutz und zur Bekämpfung des Klimawandels, insbesondere unter dem Aspekt auf die Auswirkungen für die Gesundheit, sondern auch die Umsetzung bestehender und noch zu vereinbarender Ziele im Sinne von "Planetary Health in all policies".

Zudem mahnt Quitterer mehr Studienplätze für Medizin an staatlichen Universitäten an. Auch für die Umsetzung der neuen Approbationsordnung müsse sich die künftige Bayerische Staatsregierung, der er eine auch zukünftige konstruktiven Zusammenarbeit anbietet, in Berlin einsetzen.