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Zi: Rechtsverordnung nutzt Chancen der Ambulantisierung nicht ausreichend

31.10.2023 14:33
In Deutschland werden viele Leistungen, die eigentlich ambulant vorgenommen werden können, nach wie vor stationär erbracht. Das führt in der Regel zur Verschwendung knapper Personalressourcen und zu höheren Kosten. Es belastet unser Gesundheitswesen. Die Ampel-Koalition hat dies erkannt und will den auch im internationalen Vergleich deutlichen Rückstand bei der Ambulantisierung aufholen. Daher ist mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) der § 115f SGB V beschlossen worden. Dieser sieht „eine spezielle sektorengleiche Vergütung“ vor, „die unabhängig davon erfolgt, ob die vergütete Leistung ambulant oder stationär erbracht wird“.

Nachdem die gemeinsame Selbstverwaltung im Rahmen der knappen Zeitvorgaben auf dem Verhandlungsweg keine Einigung erzielen konnte, hat nun das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Referentenentwurf für eine Ersatzvornahme vorgelegt.

„Der Entwurf der Rechtsverordnung hat zentrale Konstruktionsfehler. Damit wird erneut eine Möglichkeit vergeben, die Ambulantisierung in Deutschland richtig voranzubringen.“, kommentiert Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). „Die Preisunterschiede zu vollstationären DRGs sind so enorm, dass für Krankenhäuser ein erheblicher ökonomischer Anreiz besteht, die Patientinnen und Patienten weiterhin vollstationär und nicht sektorengleich zu versorgen.“ Hintergrund ist, dass für die Definition und Kalkulation der Hybrid-DRGs eine Eingrenzung auf DRG-Fälle mit einem Belegungstag vorgenommen wurde, und damit der Rahmen, den § 115f eröffnet, bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. „Der Verordnungsgeber hat mit der Festlegung auf einen Belegungstag das Minimum gewählt. Das Parlament hatte jedoch – den Empfehlungen des Sachverständigenrats Gesundheit und des Gesundheitsökonomischen Zentrums der Universität Hamburg (HCHE) folgend – die Möglichkeit gegeben, Fälle mit bis zu drei Tagen Verweildauer einzubeziehen (sogenannte Kurzlieger). Folglich sollten für die Bestimmung und Berechnung von Hybrid-DRGs auch DRG-Fälle mit bis zu drei Belegtagen einbezogen werden und besondere Gründe für eine stationäre Behandlung, die sogenannten Kontextfaktoren, nur in Fällen berücksichtigt werden, die einen extrem hohen Ressourcenverbrauch bei einer Krankenhausbehandlung zur Folge haben“, so von Stillfried weiter. In der jetzigen Fassung der Rechtsverordnung können Krankenhäuser somit bereits ab der ersten Übernachtung zusätzlich Pflegekosten abrechnen.

Eine echte sektorengleiche Vergütung wird, nach Meinung von Stillfrieds, durch die Rechtsverordnung somit nicht erreicht. „Auch im vertragsärztlichen Bereich gibt es Einrichtungen, die Übernachtungsmöglichkeiten bieten. So rechnen bereits heute ca. 180 Praxen eine Nachbeobachtung von mindestens zehn Stunden ab. Sollte eine Übernachtung notwendig werden, sollte auch für vertragsärztliche Einrichtungen ein Pflegeentgelt in Höhe von 250 Euro abrechenbar sein, um eine echte sektorengleiche Vergütung zu erreichen.“

Daneben kritisiert von Stillfried den enormen Pauschalierungsgrad der Hybrid-DRGs. „Es ist irritierend, dass die Verordnung offensichtlich in Unkenntnis der ambulanten Vergütungsstruktur erstellt wurde. Während im ambulanten Bereich eine aufwandsbezogene Differenzierung verschiedener Operationstechniken über bis zu sieben Kategorien erfolgt, werden diese nun in einer Hybrid-DRG zusammengewürfelt. Auch das führt zu Fehlanreizen, da daraus sehr lukrative Operationen auf der einen Seite und nicht kostendeckende Eingriffe auf der anderen Seite resultieren. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf Sach- und Implantatkosten. Hier werden die zwanzig Jahre alten Fehler der DRG-Einführung wiederholt. Eine Orientierung an der Systematik des Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ambulante ärztliche Leistungen, in der Sach- und Implantatkosten gesondert abgerechnet werden, wäre sachgerecht.“

Außerdem werde der Entwurf der Rechtsverordnung dadurch belastet, dass vertragsärztliche Einrichtungen für die Abrechnung neue Softwaremodule kaufen sollen und damit unter der Bürokratie von stationären Kodierrichtlinien leiden müssen, obwohl mit fünf Leistungsbereichen und zwölf Hybrid-DRGs ein verschwindend kleiner Leistungskatalog gewählt wurde.