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Schwerer Corona-Verlauf nun vorhersagbar

14.12.2023 10:05
Forschenden ist es gelungen, mithilfe der Anzahl und Struktur von Blutplättchen vorherzusagen, ob es zu einem schweren Corona-Verlauf kommen kann. Damit haben sie einen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19 identifiziert. So kann die Therapie nun frühzeitig angepasst werden. Methodisch griffen die Forschenden auf eine bildgebende Durchflusszytometrie zurück, die es ermöglicht, schnell und in großer Anzahl Interaktionen zwischen Blutzellen zu analysieren. Möglich wurde dieses Ergebnis durch die optimalen interdisziplinären Bedingungen. Das Zentralinstitut TranslaTUM bot den Ingenieurinnen und Ingenieuren der TUM für die Zusammenarbeit mit Medizinerinnen und Medizinern am Klinikum München rechts der Isar nach eigenen Angaben dafür optimale Bedingungen.

Sobald sich der Körper mit Sars-CoV-2 infiziert, laufen eine Reihe von Immunreaktionen ab. Eine dieser Reaktionen bestehe darin, dass sich die Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt, an den Immunzellen anlagern und dadurch Zellaggregate, also Verklumpungen, im Blutkreislauf entstehen. Eine Studie des Teams um Oliver Hayden, Professor für Biomedizinische Elektronik an der TUM, hat mithilfe einer bildgebenden Durchflusszytometrie gezeigt, dass bei Intensivpatientienten mit einem schweren Corona-Verlauf die Konzentration von Blutplättchen-Aggregaten sehr stark ansteigt.

Dem Forschungsteam ist es damit gelungen, einen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19 zu identifizieren, was durch die optimalen interdisziplinären Bedingungen, die das Zentralinstitut TranslaTUM den Ingenieuren der TUM für die Zusammenarbeit mit Mediziner:innen am Klinikum München rechts der Isar bietet.

Patientennahe und unkomplizierte Messung

Für die Analyse wurde den Probanden zunächst Blut abgenommen. Wenige Tropfen Blut reichten aus, um mithilfe der bildgebenden Durchflusszytometrie innerhalb von Sekunden tausende Blutzellen abzuzählen und deren Aggregation zu analysieren. Der Leiter der Studie Prof. Hayden sagt: „Darüber hinaus hat diese Methode den großen Vorteil, dass wir die Proben weder aufbereiten noch markieren müssen, sondern sie direkt und standardisierbar untersuchen können, ohne die Aggregate durch Einwirkung hoher Scherkräfte zu verlieren. In Zukunft könnte diese kostengünstige Methode dabei helfen, Wechselwirkungen zwischen Gerinnungssystem und Immunsystem zu quantifizieren.“ Die patientennahe Messung erlaube eine unmittelbare Untersuchung nach Blutabnahme, um Alterungseffekte der Blutproben, die selbst zu Aggregaten führen, auszuschließen.

Zwei Drittel der Blutplättchen von Erkrankten betroffen

Insgesamt untersuchte das Forschungsteam das Blut von 36 Intensiv-Patienten im Alter zwischen 32 und 83 Jahren, die mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden waren und einen mäßigen bis schweren Verlauf aufwiesen. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass bei schwer erkrankten Patienten die Anzahl an gebundenen Thrombozyten signifikant höher war, als bei mäßig erkrankten Patient:innen und erst recht im Vergleich zu gesunden Blutspender:innen.

In Bezug auf die Zusammensetzung der Zellaggregate konnten die Forschenden zeigen, dass in Abhängigkeit vom Schweregrad der COVID-19 Erkrankung die Anzahl der Zellaggregate und deren Zusammensetzung sich graduell und frühzeitig vor dem Auftreten einer Komplikation verändern. Die Verklumpungen waren typischerweise aus weniger als zehn Thrombozyten zusammengesetzt. In Extremfällen wurde dabei beobachtet, dass bis zu zwei Drittel aller Thrombozyten von Patienten aggregiert vorlagen.

 

Besseres Management von Patient:innen

 

Die hohe Konzentration an Zellaggregaten konnte nach eigenen Angaben bei allen COVID-19 erkrankten Probanden mit Einlieferung auf die Intensivstation nachgewiesen werden. Diese einfache Diagnostik von Blutplättchen-Aggregaten habe das Potenzial, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und damit die Versorgung zu verbessern.

Das interdisziplinäre Team aus Ingenieuren und Mediziniern will nun die gesammelten Erkenntnisse auf andere Erkrankungen übertragen. Die Forschenden nehmen an, dass die hier beschriebene Methode zum Beispiel auch bei Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen funktionieren könnte.