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TSVG: Einstieg in die Entbudgetierung, aber auch gravierende Eingriffe

14.03.2019 15:35
Mit der Verabschiedung des „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (TSVG) durch den Deutschen Bundestag ist das größte und zentrale Reformprojekt der Großen Koalition im Bereich Gesundheit abgeschlossen. Dazu erklärt der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund), Dr. Dirk Heinrich:

„Mit dem TSVG gelingt erstmals seit ‚Lahnstein‘ der Einstieg in die Entbudgetierung. Die Bedeutung der grundversorgenden Fachärzte wird festgeschrieben und die koordinierende Funktion des Hausarztes gestärkt. Diese jahrelange Forderung der niedergelassenen Ärzte ist allerdings verbunden mit weiteren gravierenden Eingriffen in die Organisation der Praxen und einer fortgesetzten Beschneidung der ärztlichen Selbstverwaltung.“

Die Entbudgetierung für neue Behandlungsfälle und für Fälle in der offenen Sprechstunde sei eine signifikante Verbesserung zum vorherigen Gesetzentwurf, in dem noch ein Zuschlag von 25 Prozent auf die Versichertenpauschale vorgesehen war. Wenn damit die Anreize in allen Fachgruppen und Regionen gleich hoch seien, bestehe eine echte Chance, dass Kapazitäten für entbudgetierte Neupatienten und für Patienten in offenen Sprechstunden entstünden. Zudem soll es für die Behandlung nach Vermittlung durch die Terminservicestelle neben der extrabudgetären Vergütung aller Leistungen im Behandlungsfall zusätzlich nach Wartezeit auf die Behandlung gestaffelte Zuschläge geben.

„Wir müssen aber klarstellen: Es handelt sich zunächst nicht um Mehrvergütungen, sondern erbrachte Leistungen werden erstmals voll bezahlt. So werden aber die Voraussetzungen geschaffen, dass die organisatorischen und personellen Mehraufwendungen und Umstrukturierungen der Praxen für niedergelassene Ärzte attraktiv werden“, betont Dr. Heinrich.

Dennoch hält der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes fest: „Die Anzahl der behandelnden Ärzte und die Summe der Arztzeit wird sich durch das Gesetz nicht wesentlich erhöhen. Es wird schnellere Ersttermine geben, die Folgetermine können aber, je nach Erkrankung dann entsprechend länger dauern“. Schließlich bleibe die Versorgung chronisch Kranker weiterhin im Fokus ambulanter ärztlicher Behandlung.

„Die Erhöhung der Mindestsprechstundenzahl von 20 auf 25 Stunden und der Zwang zur offenen Sprechstunde sind und bleiben ein schwerwiegender Eingriff in die Freiberuflichkeit“, bekräftigt Dr. Heinrich. Dies habe aber, neben einer grundsätzlichen Bedeutung, keinerlei praktische Auswirkungen, da nur rund vier Prozent der Praxen weniger als 20 Wochensprechstunden anbieten.

Das zentrale Reformvorhaben der Großen Koalition sei mit der Verabschiedung des TSVG erledigt. Andere drängende Probleme blieben aber: „Eine dringend erforderliche Patientensteuerung, die Reform der eigenständigen ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) und die Stärkung des ambulanten Sektors gegenüber dem Klinikbereich, die Reform der Krankenhausfinanzierung mit einem Abbau von insuffizienten Überkapazitäten sowie die Glättung des Übergangs von stationär zu ambulant stehen auf der politischen Agenda, aber im Hinblick auf ihre Umsetzung auch in den Sternen“, so der Bundesvorsitzende.