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Zi-Umfrage: Unzufriedenheit mit Praxissoftware weit verbreitet

02.05.2024 17:02
Drei von vier Arzt- und Psychotherapiepraxen in Deutschland würden ihre aktuelle Praxissoftware eher nicht weiterempfehlen. Rund die Hälfte der niedergelassenen Praxen ist explizit unzufrieden mit ihrer jeweiligen Software-Anwendung. Lediglich eine von vier Praxen ist mit der Software zufrieden und würde diese aktiv weiterempfehlen. Die am weitesten verbreiteten Systeme gehören eher nicht dazu. Fast die Hälfte der Softwarenutzer berichtet, dass der Praxisablauf mehrmals pro Woche oder täglich durch Softwarefehler gestört wird.

Noch höher ist dieser Anteil bei den Praxen, die mit ihrer Software unzufrieden sind.  Aber es gibt Alternativen: Wer sich zu einem Wechsel der Praxissoftware entschließt und aus dem breiten Angebot die richtige Auswahl getroffen hat, kann die Zufriedenheit deutlich steigern – auch wenn dadurch offenbar nicht alle Probleme bei der Umsetzung der gesetzlich vorgegebenen Telematik-Infrastruktur beseitigt werden können.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer bundesweiten Praxisumfrage, mit der das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) erstmals eine breite Transparenz über Funktionalität und Nutzerzufriedenheit im unübersichtlichen Praxissoftwaremarkt in Deutschland schafft. Zwischen dem 1. März und 14. April 2024 ist der Online-Fragebogen fast 12.000-mal aufgerufen worden. 10.245 auswertbare und finalisierte Datensätze konnten schließlich in die Analysen einbezogen werden. Davon sind rund 64 Prozent von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ausgefüllt worden, 22 Prozent von niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, 4 Prozent von angestellten Ärztinnen und Ärzten und 9 Prozent von Medizinischen Fachangestellten und anderem Praxispersonal. Der Hintergrund der Zi-Umfrage ist die Einführung der Telematik-Infrastruktur, die von den Software-Anbietern unterschiedlich gut umgesetzt wird. 

Nach einer Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) waren zum 30. Juni 2023 130 unterschiedliche Softwaresysteme in der Anwendung. Darunter sind viele kleinere Anbieter und Auslaufmodelle (76) unterhalb von 100 Installationen. Knapp 40 Prozent der Softwareinstallationen entfallen auf zwei Systemhäuser. Ohne Praxissoftware ist die ambulante medizinische Versorgung heute nicht mehr denkbar. Jede Praxis benötigt zwingend ein Softwaresystem zur Verarbeitung der Patientendaten und Befunde, zur Kommunikation mit anderen Praxen und Krankenhäusern sowie zur Abrechnung mit den Krankenkassen.

Fällt die Software aus und gibt es Probleme den Support zu erreichen, steht die Praxis still.  Der Ausfall kann je nach Softwaresystem unterschiedlich häufig vorkommen: Nur 19,1 Prozent aller Teilnehmenden gaben an, dass keine (bzw. kaum) Fehler im Praxisverwaltungssystem auftreten oder das der Praxisablauf nur einige Male im Jahr durch Softwareprobleme gestört wird. Unter den besonders zufriedenen Softwarenutzern liegt der Anteil dieser Antworten mit 40,7 Prozent mehr als doppelt so hoch. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ursache von Softwarefehlern auch außerhalb der eigentlichen Praxissoftware, also beim Konnektor oder der gematik liegen kann. Dies können unter anderem Gründe dafür sein, dass selbst unter den zufriedenen Softwarenutzern immer noch ein Viertel darüber berichten, dass der Praxisablauf mehrmals pro Woche oder täglich durch Softwarefehler gestört wird. Unter den unzufriedenen Softwarenutzern liegt der Anteil derjenigen, die von mehrmals wöchentlichen bis hin zu täglichen softwarebedingten Störungen des Praxisablaufs berichten, bei 60,2 Prozent. Dieser Anteil kann bei einzelnen Softwareanbietern noch höher liegen.

Nahezu die Hälfte der Teilnehmenden (47,7 Prozent) sind mit ihrer aktuellen Praxissoftware unzufrieden und würden diese nicht weiterempfehlen. Von diesen unzufriedenen Nutzern wären rund zwei Drittel (64,5 Prozent) bereit für einen Wechsel des Softwaresystems. Unter den Teilnehmenden, die mit ihrer Praxissoftware zufrieden sind und diese weiterempfehlen würden (27,7 Prozent), sind rund ein Sechstel, die bereits einen Softwarewechsel vorgenommen haben. Insgesamt haben unter allen Teilnehmenden 860 (8,5 Prozent) einen Softwarewechsel angegeben. Von diesen sind nach dem Wechsel rund 479 (55,7 Prozent der Wechsler) mit ihrem System zufrieden und würden es weiterempfehlen. 165 Teilnehmende (19,2 Prozent der Wechsler) sind hingegen auch nach dem Systemwechsel unzufrieden. Diese Wechsel erfolgten auch zu Softwareanbietern, die einen hohen Anteil unzufriedener Nutzer haben. Erfolgte der Wechsel hingegen zu einem Softwaresystem, das insgesamt einen hohen Anteil zufriedener Nutzer hat, fiel auch die Zufriedenheit nach dem Wechsel höher aus. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer regelmäßig aktualisierten Referenzdatenbank, an der sich wechselwillige Praxisinhaber orientieren können.

„Wir haben deshalb aus den Umfragedaten ermittelt, welche Systeme auch im Hinblick auf die Umsetzung der Telematik-Infrastruktur einen systematisch höheren Anteil zufriedenerer Nutzer haben, die ihr System auch weiterempfehlen würden. Das ist der sogenannte Net-Promoter-Score. Dabei liegen 15 Softwaresysteme, die mehr als 20 Bewertungen erhalten haben, im positiven Bereich mit einem Score-Wert über 0 bis plus 76 Punkten. Für diese Systeme überwiegen die positiven Bewertungen durch die Nutzer teils sehr deutlich. Die Liste dieser 15 positiv bewerteten Systeme stellen wir hiermit gerne zur Verfügung, um wechselbereiten Praxen eine vorläufige Orientierung zu bieten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

„Uns ist bewusst, dass der Wechsel der Praxissoftware Zeit und Geld kostet. Auf diesem Aufwand bleiben die Praxen derzeit sitzen. Zudem muss in der Wechselphase oft auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden. Am Ende benötigen aber alle Praxen funktionsfähige Softwaresysteme. Der Wechsel zu einer leistungsfähigen Lösung sollte daher belohnt werden. So wie die Politik die Digitalisierung der Krankenhäuser finanziell fördert, könnte der Wechsel zu Praxissoftwaresystemen gefördert werden, die nach vorheriger Prüfung eine bessere Funktionalität bzw. einen besseren Service bieten und damit zur Umsetzung der Telematik-Infrastruktur besser geeignet sind. Dies hätte das Potenzial die medizinische Versorgung für die Mehrheit der gesetzlich Versicherten deutlich zu verbessern. Zudem können wir es uns angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, dass Praxen aufgeben, weil sie wegen ihres Softwareanbieters an der Digitalisierung scheitern“ so von Stillfried weiter.

23 Softwaresysteme mit mehr als 20 Bewertungen liegen nach Zi-Auswertung im negativen Bereich des Net-Promoter-Scores von unter 0 bis zu minus 82 Punkten. Ein Softwaresystem landet im Score genau auf dem Wert 0. So wie die Systeme am oberen Ende des Net Promoter Scores überwiegend positive Bewertungen erhalten, entfallen auf die Systeme am unteren Ende der Skala überwiegend negative Bewertungen. Die Einführung der Telematik-Infrastruktur stellt neue Anforderungen an Praxissoftware. Funktionalität und Verlässlichkeit gerade älterer Softwaresysteme werden dadurch aktuell auf eine harte Probe gestellt. Das belastet auch die medizinische Versorgung.

In einer der größten Umfragen der letzten Jahre zur Zufriedenheit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit ihren Arbeitsbedingungen gaben im vergangenen Jahr rund 88 Prozent der rund 32.000 Teilnehmenden an, dass die derzeitigen Digitalisierungsmaßnahmen den Praxisablauf beinträchtigen. Zu diesen Digitalisierungsmaßnahmen zählen die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das elektronische Rezept (eRezept), der elektronische Arztbrief (eArztbrief), der elektronische Medikationsplan (eMP), die elektronische Patientenakte (ePA) und das Notfalldatenmanagement (NFDM).