Appell: Digitales Gesundheitswesen nicht Apple & Co überlassen
Die Apple Watch wird von mehr als 100 Millionen Menschen weltweit am Handgelenk getragen, lauten aktuelle Schätzungen. „Das sind nicht bloße Chronometer, sondern auch Gesundheitstracker“, sagt Hyun-Min Moon, der CEO des Gesundheitsportals www.health-rise.de. Er warnt: „Es ist absehbar, dass Apple und andere Digitalgiganten in den nächsten Jahren massiv in den Gesundheitsmarkt eindringen werden. Doch das Gesundheitswesen sollte besser eine nationale Angelegenheit bleiben, wie die aktuelle Pandemie zeigt. Es ist daher höchste Zeit, jetzt die Weichen für ein digitales Gesundheitswesen in Deutschland zu stellen, statt abzuwarten, bis Apple & Co einen Health-Care-Service vorstellen, der sagen wir Health+ heißt in Anlehnung an Apples Fitness+.“
Hyun-Min Moon veranschaulicht ein mögliches Zukunftsszenario: „Millionen von Menschen werden geneigt sein, ihre von der Smartwatch erfassten Vitalwerte fortlaufend an einen Service wie Health+ zu übermitteln, wenn ihnen im Gegenzug eine kostenfreie oder preiswerte permanente Überwachung ihres persönlichen Gesundheitszustands gewährt wird. Das ist wie ein Arzt, den man ständig an der Seite hat und der sich um einen kümmert. Im nächsten Schritt könnten Arztpraxen und Kliniken von Apple & Co in einem Netzwerk zusammengefasst und sozusagen zertifiziert werden, so dass genau diese Mediziner von Health+ empfohlen werden. Das wäre der Weg zu einem globalen digitalen Gesundheitswesen, welches die nationalen Gesundheitssysteme ins Abseits drängt.“ Apple könnte mit einem Health-Care-Service binnen weniger Jahre mehr über die Gesundheit der deutschen Bevölkerung wissen als alle hiesigen Gesundheitseinrichtungen zusammen, befürchtet Hyun-Min Moon.
„Unser Gesundheitswesen darf nicht den Weg der Schweizer Uhrenindustrie gehen.“
Der CEO von Health Rise gibt zu bedenken: „Wer das als wirre Zukunftsfantasien abtut, der hat vermutlich auch nicht den Siegeszug der Smartwatches antizipiert, wie etwa die Schweizer Uhrenindustrie, die heute zusammen weniger Uhren verkauft als Apple. Es ist Zeit, heute die Weichen in Deutschland zu stellen, damit unser Gesundheitswesen nicht den Weg der Schweizer Uhrenindustrie geht.“
Nach Ansicht von Moon wird das Ausmaß der gesundheitlichen Überwachung durch immer neue Sensoren in den Smartwatches der nächsten Jahre nicht nur in der Politik, sondern auch bei vielen Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Kammern und Verbänden derzeit noch unterschätzt. „Schon heute überwachen Smartwatches die Herzfrequenz, den Blutdruck, den Sauerstoffgehalt im Blut sowie die Bewegung durch Lage- und Beschleunigungssensoren. Es ist bekannt, dass die Hersteller der Computeruhren daran arbeiten, dass diese künftig beispielsweise auch Hautveränderungen und Venenstrukturen sowie den Blutzuckergehalt erkennen können."
Doch das werde nicht das Ende, sondern erst der Anfang der dauerhaften Überwachung und kontinuierlichen Analyse der Vitalwerte von Hunderten Millionen von Menschen rund um den Globus sein. Laut Prognose Moons ist es absehbar, dass die Digitalkonzerne um diese Datensammlungen herum digitale Ökosysteme entwickeln. "Sie werden sodann versuchen, diese überall auf der Welt durchzusetzen, auch in Deutschland." Daher sei es höchste Zeit, dass alle Beteiligten am hiesigen Gesundheitswesen weit über die elektronische Patientenakte ePA hinaus gemeinsam zukunftsträchtige Konzepte entwickeln.
Die bislang schleppende Akzeptanz der ePA sollte nach Ansicht des Health Rise-Chefs nicht als „Showstopper“ wirken, sondern „ein Ansporn sein, die Digitalstrategie zügig weiter zu entwickeln“. Er sagt: „Entscheidend für den Erfolg ist es, die Versicherten als Kunden zu verstehen und ihre Wünsche neben den Anforderungen der Ärzteschaft und aller anderen Beteiligten in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zur Digitalisierung zu stellen.“