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Arzneimittel gegen seltene Krankheiten: Gentherapie Libmeldy® zeigt Zusatznutzen – Zelltherapie Zolgensma® dagegen nicht

04.11.2021 16:23
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute den Zusatznutzen für zwei Wirkstoffe gegen sehr seltene, schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankungen bei Kindern bewertet. Einen erheblichen Zusatznutzen sieht er bei der Zelltherapie Libmeldy®, die gegen die Stoffwechselstörung metachromatische Leukodystrophie (MLD) bei erkrankten, aber noch symptomfreien Kindern eingesetzt wird. Anders bei der Gentherapie Zolgensma®, die gegen spinale Muskelatrophie (SMA) zugelassen ist. Anhand der verfügbaren Daten hat der G-BA für keine Patientengruppe einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie festgestellt.

Libmeldy® hat das vereinfachte Nutzenbewertungsverfahren für Orphan Drugs durchlaufen. Der Zusatznutzen gilt bei Orphan Drugs, also Arzneimitteln gegen seltene Leiden, generell bis zu einer Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro als gesetzt. Ein direkter Vergleich mit einer Therapiealternative findet hier nicht statt. Der G-BA bewertete bei Libmeldy® entsprechend nur das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzen. Basis für die Entscheidung des G-BA waren die Zulassungsunterlagen sowie eine spezifische Geschwisterkind-Analyse. Bei einem sehr frühen Behandlungsbeginn mit Libmeldy®, wenn die Kinder noch ohne Symptome sind, konnte der G-BA einen erheblichen Zusatznutzen in Bezug auf Bewegungsbeeinträchtigungen ableiten. „Den Beschluss zu Libmeldy® hat der G-BA befristet, da noch die finale Auswertung zu der vorgelegten Studie erwartet wird. Mit den zusätzlichen Daten wollen wir das Arzneimittel erneut bewerten, um Erkenntnisse für den langfristigen Einsatz bei Patientinnen und Patienten mit Krankheitssymptomen zu bekommen. Die Stoffwechselkrankheit metachromatische Leukodystrophie ist derzeit nicht heilbar, auch nicht mit dem neuen Wirkstoff. Aber wir haben jetzt zumindest eine Option, die den betroffenen Kindern ermöglicht, mit weniger körperlichen Beeinträchtigungen zu leben. Auch das ist ein Gewinn“, so Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel.

Mit Zolgensma® beschäftigte sich der G-BA bereits mehrfach. Das erste Nutzenbewertungsverfahren war Ende 2020 eingestellt worden, da die Umsätze sehr schnell über 50 Mio. Euro gestiegen waren. Das hieß: Das Orphan-Privileg fiel bei der Nutzenbewertung weg. Die gesetzlichen Vorgaben sehen in solchen Fällen einen direkten Vergleich gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie vor. Der G-BA nutzte dafür die vorhandene Studienlage und die vom Hersteller übermittelten Daten. Einen Zusatznutzen konnte er damit nicht begründen. „Der heutige Beschluss zu Zolgensma® wird mit großer Wahrscheinlichkeit nur vorläufig sein“, stellt Hecken in Aussicht. „Nach unseren bisherigen Planungen wird der G-BA spätestens ab Sommer 2027 erneut über Zolgensma® beraten. Dann haben wir hoffentlich Informationen aus dem Behandlungsalltag, um Aussagen zum langfristigen Zusatznutzen treffen zu können. Die Vorbereitungen zur anwendungsbegleitenden Datenerhebung laufen bereits. Auch wenn Familien mit erkrankten Kindern und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf ein besseres Ergebnis bei Zolgensma® gehofft haben, ist mit dem Beschluss ausdrücklich keine Einschränkung der Versorgung verbunden. Das Arzneimittel kann im Rahmen seiner Zulassung und unter Einhaltung der qualitätssichernden Standards weiterhin verordnet und eingesetzt werden.“

Seltene Krankheiten: spinale Muskelatrophie und Stoffwechselkrankheit MDL

Die Patientengruppe, die an spinaler Muskelatrophie (SMA) leidet, ist sehr klein. Jährlich werden in Deutschland ca. 80 bis 120 Kinder mit dieser genetisch bedingten Krankheit geboren. Die SMA geht einher mit Muskelschwäche und Skelettverformungen. Sie führt in der schwersten Form unbehandelt zum Tod. Im Gegensatz zu Therapiealternativen, die regelmäßig verabreicht werden müssen, wird Zolgensma® einmalig angewendet. Das Arzneimittel zielt darauf ab, eine fortschreitende Muskelschwäche aufzuhalten, eine vollständige Heilung ist damit nicht verbunden. Die Kosten für die einmalige Anwendung liegen bei ca. 2,3 Mio. Euro.

Die metachromatische Leukodystrophie (MDL) wird durch einen Gendefekt verursacht. In Deutschland sind pro Jahr etwa 1 bis 3 Patientinnen und Patienten betroffen. Menschen mit MDL bilden ein bestimmtes Enzym fehlerhaft aus. Dadurch wird das Nervensystem massiv geschädigt. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, oft aber bereits bei Kindern. Die betroffenen Kinder verlieren nach und nach ihre motorischen und geistigen Fähigkeiten, bis sie schließlich an der Krankheit sterben. Die Therapie mit Libmeldy® beruht auf einer einmaligen Anwendung und kostet derzeit 2,8 Mio. Euro.