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SVDGV: Erster DiGA-Bericht des GKV-SV übt pauschale Kritik ohne Datengrundlage

15.03.2022 12:39
Am 1. März 2022 wurde der erste DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes veröffentlicht. Er verdeutlicht nach Einschätzung des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung e.V. (SVDGV) die wachsende Bedeutung dieses Versorgungsbereichs – mit dem Deutschland schon jetzt ein weltweites digitales Ausrufezeichen gesetzt hat. Die Daten zeigten darüber hinaus die Indikationsvielfalt im DiGA-Verzeichnis, insbesondere da, wo in Deutschland Versorgungslücken bestehen.

Die steigenden Verordnungszahlen würden gerade auch von vielen älteren DiGA-Nutzer:innen getrieben. Der Bericht zeigt zudem, dass DiGA deutlich häufiger von Frauen genutzt werden – wobei hier die geschlechtsspezifische Häufigkeit von Erkrankungen in weiterführenden Analysen berücksichtigt werden sollte.

Neben interessanten Einblicken in den neuen Versorgungsbereich anhand von Datenauswertungen übt der GKV-SV mit seinem Bericht pauschal Kritik an DiGA. Entgegen dem ursprünglichen Anspruch des Berichts ist diese Kritik jedoch nicht mit den gesammelten Daten zur Nutzung von DiGA belegbar, stattdessen erfolgt sie ohne die entsprechende faktische Grundlage, wie der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung anhand einiger Punkte aufzeigen will:

• Der „mangelnde Innovationscharakter” ist aus den Daten des Berichtes nicht ableitbar und bleibt eine subjektive Behauptung. Diese ist zudem inhaltlich fragwürdig: DiGA personalisieren beispielsweise leitliniengerechte Lebensstil-Therapie für Patient:innen und ergänzen sie um Elemente zur Stärkung der Adhärenz. Ärzt:innen erhalten Berichte zur Verlaufskontrolle als wertvolle Entscheidungsgrundlage. Damit stellen DiGA eine neue Versorgungsform dar, die zuvor in den Leitlinien gewünscht, aber in der Praxis nicht verfügbar war.

• Für vorläufig gelistete DiGA wird verallgemeinernd von „keiner Evidenz“ gesprochen. Diese Aussage blendet jedoch die systematische Datenauswertung im DiGA-Antrag vollständig aus, in der vom Hersteller bereits ein Hinweis auf einen Nutzen im tatsächlichen Versorgungsalltag gezeigt werden muss.

• Der Leser erhält ebenfalls keine Hintergrundinformationen zum Zeitpunkt des Berichtes. Diese sind aber elementar zur Einordnung: Bis September (dem Stichtag des Berichtes) konnte qua Zeitpunkt keine der ersten vorläufig gelisteten DiGA aus dem Oktober 2020 dauerhaft gelistet sein. Denn nach dem einjährigen Erprobungszeitraum erfolgt eine dreimonatige Prüffrist beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte).

• Im März dieses Jahres gibt es die ersten nach vorläufiger Listung dauerhaft aufgenommenen DiGA. Sie belegen, dass das Erprobungsjahr ein fundierter Weg ist, endlich digitale Lösungen in die Versorgung zu bringen. Eine Erkenntnis, die aus den Daten ableitbar ist, aber nicht erwähnt wird: Ohne das Erprobungsjahr gäbe es deutlich weniger DiGA in unterschiedlichen Indikationsbereichen.

• Die Kritik des Berichts an den DiGA-Verordnungspreisen beruft sich lediglich auf pauschale Vergleichsanker und lässt wichtige Parameter wie Effektivität und Versorgungskontext außer Acht. Eine valide Bewertung der Preise kann jedoch ohne letztgenannte Aspekte nicht getroffen werden.

• Die Forderung von „Testverordnungen” ist losgelöst von jeglicher evidenzbasierten Medizin. Medizinisch sinnvolle Endpunkte, deren Einhaltung sonst vom GKV-SV streng gefordert wird, sind bei einer auf mehrere Monate angelegten verhaltenstherapeutischen Intervention nicht valide nach zwei oder drei Wochen zu erkennen.