Sie sind hier: Startseite Nachrichten Ethikrat: Künstliche Intelligenz darf menschliche Entfaltung nicht vermindern

Ethikrat: Künstliche Intelligenz darf menschliche Entfaltung nicht vermindern

20.03.2023 16:59
Der Deutsche Ethikrat hat seine Stellungnahme „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“ veröffentlicht. Darin werden die Auswirkungen digitaler Technologien auf das menschliche Selbstverständnis und Miteinander untersucht. „Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern. KI darf den Menschen nicht ersetzen. Das sind grundlegende Regeln für die ethische Bewertung“, sagt Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates.

KI-Systeme haben heutzutage in nahezu alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens Einzug gehalten und reichen von Krebsdiagnostik in der Medizin und intelligenten Tutorsystemen in der Schule über Empfehlungssysteme auf Onlineplattformen bis hin zu Software, die Entscheidungen im Sozial- und Justizwesen oder bei der Polizei unterstützen soll. „KI-Anwendungen können menschliche Intelligenz, Verantwortung und Bewertung nicht ersetzen“, betont Julian Nida-Rümelin, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und stellvertretende Sprecher der zuständigen Arbeitsgruppe.

Für die ethische Bewertung von KI sei das von Bedeutung, denn es genüge nicht, nur die Technologien zu verstehen. Auch die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Technik sowie gesellschaftliche Effekte müssten beachtet werden. Die zentrale Schlüsselfrage lautet deshalb: Werden menschliche Autorschaft und die Bedingungen für verantwortliches Handeln durch den Einsatz von KI erweitert oder vermindert?

Mit dieser Frage setzt sich der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme exemplarisch in vier Anwendungsbereichen auseinander – Medizin, schulische Bildung, öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung sowie öffentliche Verwaltung. Dabei zeigt sich, dass die Beurteilung von KI immer kontext-, anwendungs- und personenspezifisch erfolgen muss. „Wenn menschliche Tätigkeiten an Maschinen delegiert werden, kann dies für verschiedene Personengruppen, Akteure und Betroffene ganz unterschiedliche Auswirkungen haben“, sagt Judith Simon, die Sprecherin der Arbeitsgruppe. „Daher ist es wichtig, genau hinzuschauen, für wen dies mit erweiterten Handlungsspielräumen verbunden ist und wessen Handlungsmöglichkeiten eher vermindert werden.“

Dieses Anliegen schlägt sich auch in den Empfehlungen nieder, die der Deutsche Ethikrat zum Einsatz von KI in jedem der vier untersuchten Anwendungsbereiche formuliert. Für den Medizinbereich richten sich Empfehlungen unter anderem auf die Qualitätssicherung bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Produkten, auf die Vermeidung ärztlicher Kompetenzverluste und auf das Ziel, die Privatsphäre von Patientinnen und Patienten mit intensiver Datennutzung in der medizinischen Forschung in Einklang zu bringen. Dabei gilt es, das Vertrauensverhältnis zwischen allen beteiligten Personen zu schützen und die vollständige Ersetzung medizinischer Fachkräfte zu vermeiden.

Ergänzend identifiziert der Deutsche Ethikrat zehn Querschnittsthemen und Empfehlungen, die bereichsübergreifend von Bedeutung für die ethische Einordnung von KI-Anwendungen sind. Darin geht es unter anderem darum, KI zur Entscheidungsunterstützung und nicht zur Entscheidungsersetzung zu verwenden, die Diffusion von Verantwortung zu verhindern, menschliche Kontrolloptionen nicht zu beeinträchtigen und den Zugang zu den Entscheidungsgrundlagen insbesondere in Bereichen mit hoher Eingriffstiefe zu gewährleisten. Weitere Forderungen zielten darauf ab, Verzerrungen, Abhängigkeiten und Missbrauch von Technik sowie unerwünschte Verluste menschlicher Fertigkeiten zu vermeiden. Über alle Anwendungsbereiche hinweg gilt es, die Interessen der Menschen, von denen die in KI-Anwendungen verwendeten Daten stammen, in den Mittelpunkt zu stellen, übermäßige Eingriffe in die Privatsphäre mithilfe effektiver rechtlicher und technischer Vorkehrungen zu verhindern und gleichzeitig eine gemeinwohlorientierte Datennutzung zu ermöglichen.