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Immer mehr Krebs: Was gegen steigende Neuerkrankungen zu tun ist

31.07.2019 17:56
Was ist zu tun, damit sich die Prognosen steigender Krebserkrankungen nicht bewahrheiten? Darüber diskutierten am 26. Juni 2019 im Axel Springer Kongresszentrum in Berlin auf dem fünften interdisziplinären Symposium „Innovations in Oncology“ führende Experten aus Wissenschaft, Medizin, Politik und Versorgung. Der Titel der diesjährigen Veranstaltung „Vision-Zero. Die Neuvermessung der Onkologie“ konnte dabei zugleich als Motto aller Beteiligten für die kommenden Jahre gewertet werden. Veranstalter des Symposiums war das Netzwerk gegen Darmkrebs e.V..

Aktuell erkranken rund eine halbe Millionen Menschen in Deutschland an Krebs. 230.000 sterben daran. In zehn Jahren soll die Zahl der Krebsneuerkrankungen auf 600.000 ansteigen, bis 2040 soll sich die Zahl der Krebserkrankungen sogar verdoppelt haben. Neben den zahlreichen Einzelschicksalen, die diese Hochrechnungen mit sich bringen, bedeutet ein Anstieg der Erkrankungszahlen auch eine enorme Belastung für das Gesundheitssystem, auch bereits mit den aktuellen Erkrankungszahlen.

Dr. Georg Ralle, Generalsekretär des Netzwerk gegen Darmkrebs und Veranstalter des Symposiums beschreibt „Vision-Zero“ als einen Paradigmenwechsel in der Onkologie, innerhalb dessen die Zahl der Krebsneuerkrankungen auf nahe Null gesenkt werden soll. „Jeder Krebstodesfall sollte inakzeptabel sein, denn Krebs ist nicht die Schuld der Betroffenen“, forderte Professor Christof von Kalle, Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften an der Charité Berlin und Gründungsdirektor des gemeinsamen klinischen Studienzentrums von BIH und Charité.

Doch, dass eine einzelne Gruppe diese „Vision-„Zero“ wohl kaum allein realisieren kann, dessen waren sich alle Teilnehmer des Symposiums einig. Vielmehr ist es eine gesellschaftliche Aufgabe Krebs den Kampf anzusagen, welche auf deutscher – wenn nicht sogar europäischer – Ebene gelöst werden muss, wie Professor Charlotte Niemeyer, Ärztliche Direktorin an der Freiburger Universitätskinderklinik, im Rahmen der Podiumsdiskussion forderte. Statt dem Lamentieren über suboptimale Strukturen, der Priorisierung eigener Interessen über denen der Patienten und der Entschuldigung deutlich zu geringer Budgets in Prävention und Forschung mit angeblich hohen Kostenbelastungen, bräuchte es einen gesellschaftlichen Konsens, der die Erstellung eines Masterplans zur Krebsvermeidung und -bekämpfung ermöglicht, forderte von Kalle.

Darin würde die Primärprävention dann eine bedeutende Rolle spielen. Dr. Christa Maar, Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. und Vorstand der Felix Burda Stiftung sagte dazu: „Wir vertrauen immer noch zu sehr auf die Reparaturmedizin. Wenn wir den Krebs wirklich wirksam bekämpfen möchten, müssen wir viel mehr in die Präventionsforschung investieren.“

Professor Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) sieht den Bedarf nach einer langfristigen Forschungsstrategie im Kampf gegen den Krebs. Seiner Einschätzung nach benötigen wir ein größeres Bewusstsein aller Akteure für eine starke Krebsforschung, für gezielte Forschung zur Krebsprävention, für die Stärkung klinischer Studien, für eine bessere Verzahnung von Forschung und Versorgung sowie eine schnellere Überführung neuer, wirksamer Präventions-, Diagnose und Therapieansätze in die Praxis.

Professor Diana Lüftner, Oberärztin für Hämatologie und Medizinische Onkologie an der Charité Berlin sowie Vorstand der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, sieht Handlungsbedarf bei der Ansprache junger Menschen. Man müsse junge Menschen dort auf die Bedeutung von Krebsprävention hinweisen, sowie aufklären, wo sie viel Zeit verbringen: In sozialen Medien.

Innerhalb einer Paneldiskussion wollte Professor Michael Hallek, Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Universität zu Köln, von den Diskutanten konkrete Vorschläge hören, damit Deutschland in der Onkologie wieder ein Geber- statt wie aktuell ein Empfängerland wird. Eine große Rolle dabei spielt das Handling von Patientendaten und damit der Überführung der medizinischen Versorgung in das digitale Zeitalter. Möglichst unkompliziert sollte das Datenmanagement gestaltet sein, um Maßnahmen in den bereits genannten Bereichen erfolgreich umsetzten zu können. MdB Tino Sorge, Mitglied im Gesundheitsausschuss, ist der Meinung, dass es in Deutschland jedoch nicht an Erkenntnissen für die Digitalisierung mangelt, sondern es Nachholbedarf innerhalb der Umsetzungsprozesse gibt. Ferner rief er die Wissenschaft und die Vertreter der Krankenkassen auf dem Symposium auf, offensiver auf die Politik zuzugehen und von Problemen und Herausforderungen im Bereich Datenmanagement in der medizinischen Versorgung zu berichten.

Einige weitere unmittelbare Ratschläge an die Politik hatten die Teilnehmer des Symposiums zudem im Gepäck, wie zum Beispiel eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen, sowie die Einbindung von Ärzten in Entscheidungen zur Kostenerstattung. So sei die Wartezeit für die Kostenzulassung einer Krebstherapie meist lang, sodass wertvolle Lebenszeit der Patienten verstreicht. Lebenszeit die dringend genutzt werden müsse, wie im Rahmen des Vortrags von Professor Peter Borchmann, Oberarzt am Universitätsklinikum Köln, thematisiert wurde.