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Krisenfolge: Deutsche greifen stärker zu Alkohol und Medikamenten

16.05.2023 11:23
Die Krisen haben den Konsum von Alkohol und Medikamenten erhöht und zu Problemen bei den Patienten geführt. 71 Prozent der Psychiater und Psychotherapeuten sagen, der Alkohol- und Drogenkonsum habe aufgrund der aktuellen Krisen und der gestiegenen Lebenshaltungskosten zugenommen. Dies sind Ergebnisse der Studie "Psychische Gesundheit in der Krise" der Pronova BKK, für die im Januar und Februar 2023 insgesamt 150 Psychiater und Psychotherapeuten befragt wurden.

Die Menschen in Deutschland konsumieren verstärkt die Volksdroge Alkohol: 51 Prozent der Psychiater und Psychotherapeuten berichten, dass sie bei ihren Patienten 2022 erhöhten Alkoholkonsum festgestellt haben - 2020 waren es 29 Prozent, 2021 schon 43 Prozent. Vor allem neue Patient*innen werden mit durch von Corona und nachfolgenden Krisen ausgelöstem erhöhtem Alkoholkonsum behandelt, 69 Prozent der Experten bestätigen dies. 70 Prozent der Psychiater in Kliniken behandeln im multiplen Krisenjahr 2022 verstärkt Menschen mit psychischen Störungen im Zusammenhang mit Alkohol - 2020 waren es dort nur 46 Prozent. "Dauerkrisen und die existenziellen Sorgen durch gestiegene Lebenshaltungskosten haben zu einer Zunahme an psychischen Beschwerden geführt. Manche betäuben diese mit Alkohol", sagt Dr. med. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. "Doch Alkohol oder Medikamente sind keine Lösung. Der erhöhte Konsum muss Patienten gespiegelt werden. Zu erkennen, dass es einem Menschen schlecht geht, ist wertschätzend. Die Betroffenen fühlen sich in ihrer Not gesehen. Dann benötigen sie Hilfe von Hausärzten, Fachärzten oder einer Suchtberatung."

Zunahme an Medikamenten, Drogen und mehreren Substanzen gleichzeitig

Zugenommen hat über die vergangenen drei Krisenjahre auch der Konsum von stimmungsaufhellenden Medikamenten oder Schmerzmitteln. 42 Prozent der Psychiater und Psychotherapeuten diagnostizierten 2022 diese Probleme mit Medikamenten. Das bedeutet einen deutlichen Anstieg, denn im Vorjahr waren es 30 Prozent und 2020 nur 14 Prozent der Befragten. Unter ihren Patienten, die erst nach Coronabeginn zu ihnen gekommen sind, haben 52 Prozent der Befragten Drogenprobleme und 51 Prozent Medikamentenprobleme diagnostiziert.

Insgesamt haben die Deutschen in den vergangenen drei Jahren häufiger zu sogenannten "psychotroper Substanzen" gegriffen und in der Folge Verhaltensstörungen entwickelt. Zu diesen Substanzen gehört zum Beispiel Alkohol, den 55 Prozent der Befragten als Ursache für psychische Störungen bei ihren Patienten sehen, 2020 waren es 39 Prozent. Störungen durch Drogen wie Cannabinoide oder Kokain diagnostizieren 41 Prozent, 2020 waren es 24 Prozent. Bei Medikamenten stiegen die Auffälligkeiten von 17 Prozent in 2020 auf 40 Prozent im multiplen Krisenjahr 2022. Es wurde auch mehr geraucht: auffälliger Nikotin-Konsum nahm von 23 Prozent (2020) auf 35 Prozent (2022) zu. Im vergangenen Jahr haben jedoch auch viele Patienten gleich zu mehreren Substanzen gegriffen. Besorgniserregend ist dabei der Anstieg im sogenannten multiplen Substanzgebrauch von 14 Prozent im ersten Corona-Jahr auf jetzt 32 Prozent.

Auch in den Praxen und Kliniken wurden 2022 häufiger als vor der Corona-Krise Medikamente verschrieben: 55 Prozent der Experten gaben es an. Dies ist ein Anstieg um erneut sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. 2021 war die Verschreibungshäufigkeit gegenüber 2020 bereits um 21 Prozentpunkte gestiegen. Vor allem niedergelassene Psychiater (64 Prozent) haben 2022 Medikamente empfohlen.

 

Über die Studie

Für die Studie "psychische Gesundheit in der Krise" wurden im Januar und Februar 2023 bundesweit 150 Personen online befragt, darunter 50 Klinikpsychiater*innen, 50 niedergelassene Psychiater*innen und 50 Psychotherapeut*innen.