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Leistungsbereiche und -gruppen mit Grundrechten der Krankenhausträger vereinbar

04.04.2023 16:24
Die Einführung eines an Leistungsbereichen und Leistungsgruppen orientierten Systems zur Krankenhausplanung sowie die Festlegung von Kriterien, die der Bedarfsermittlung im stationären Bereich dienen, ist mit den Grundrechten der privaten und gemeinnützigen Krankenhausträger vereinbar. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Rechtsgutachten von Prof. Winfried Kluth, Lehrstuhl-Inhaber für Öffentliches Recht an der Universität Halle-Wittenberg und ehemaliger Richter am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt. Das Gutachten, das verschiedene Aspekte der aktuellen Krankenhausreform beleuchtet, ist im Auftrag des AOK-Bundesverbandes erstellt worden.

Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die im Zuge der aktuellen Reform vorgeschlagenen Regelungen zur Einführung von Leistungsbereichen und Leistungsgruppen der Umsetzung gewichtiger Gemeinwohlbelange dienten, verhältnismäßig seien und auf hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigungen beruhten. Die Regelungen seien daher insgesamt mit dem Grundrecht der Unternehmer- und Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz, dem Eigentumsgrundrecht aus 14 Abs. 1 Grundgesetz sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar.

Zudem stellt das Gutachten fest, dass der Bund die Kompetenz hat, eine auf Leistungsbereichen und Leistungsgruppen basierende einheitliche Krankenhaus-Planungssprache verbindlich einzuführen. Die Krankenhausplanung sei zwar grundsätzlich Sache der Bundesländer, das Grundgesetz weise den Ländern aber keine ausschließliche Kompetenz in diesem Bereich zu. Der Bundesgesetzgeber könne, wenn es zur effektiven Ausgestaltung der ihm zweifelsfrei zugewiesenen Regelungsmaterie notwendig sei, Regelungen kraft Sachzusammenhangs oder Annexregelungen treffen. In diesem Zusammenhang seien „harmonisierende Vorgaben“ für die Planung zulässig, solange eine „ausreichende Konkretisierungskompetenz der Länder gewahrt wird“, heißt es in dem Gutachten. Auch „Erweiterungen und Konkretisierungen“ des Bundes in Bezug auf die Bedarfsorientierung der Krankenhausplanung seien kompetenzrechtlich zulässig.

Aus Sicht der AOK-Gemeinschaft sind die die Leistungsgruppen und Leistungsbereiche der „Dreh- und Angelpunkt“ der Krankenhausreform, betont der Leiter des Referates Stationäre Versorgung im AOK-Bundesverband, David Scheller-Kreinsen. „Wir brauchen eine verbindliche Planungssprache, die auf bundeseinheitlichen Leistungsbereichen und Leistungsgruppen basiert, damit die Reform gelingen kann. Das Gutachten macht deutlich, dass der Bund die Kompetenz hat, diesen Rahmen zu definieren.“ Auf Basis bundeseinheitlicher Leistungsbereiche und Leistungsgruppen könnten die Länder künftig konkrete Versorgungsaufträge für die Kliniken festlegen. Sie könnten dann auch die Basis für die Entscheidung bilden, welche Kliniken künftig die Fallzahl-unabhängigen Vorhaltepauschalen für bedarfsnotwendige Leistungen erhalten. „Bei der Festlegung der Leistungsgruppen sind unbedingt notwendige Mindestbetriebsgrößen sowie personelle und medizinisch-technische Voraussetzungen zu bestimmen“, fordert Scheller-Kreinsen. „Ziel des Prozesses muss die Beendigung der immer noch weit verbreiteten Gelegenheitsversorgung sein, die im Hinblick auf die Patientensicherheit nicht akzeptabel ist.“

In dem Gutachten wird ausgeführt, dass der Bund gemäß Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19a Grundgesetz für gesetzliche Regelungen zuständig sei, die die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze betreffen. Diese Kompetenzen könnten auch in den Bereich der Krankenhausplanung hineinwirken. „Harmonisierende Vorgaben“ des Bundes für die Planung seien im Rahmen einer Annexkompetenz zulässig, wenn eine „ausreichende Konkretisierungskompetenz“ der Länder gewahrt werde. Darüber hinaus stellt das Gutachten eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes „kraft Sachzusammenhangs“ fest. Sie ergebe sich daraus, dass die bundesgesetzlichen Vorgaben im Bereich der Qualitätssicherung nicht durch Einzelvorgaben, sondern nur durch die verbindliche Orientierung der Krankenhausplanung an Leistungsbereichen verbessert werden könne. Denn nur so könnten die auf Leistungsbereiche und nicht auf Versorgungsgebiete bezogenen Qualitätskriterien des G-BA auch auf der Ebene der Krankenhausplanung wirksam in die Steuerung des stationären Angebotes implementiert werden.

Prof. Winfried Kluth macht in seinem Gutachten konkrete Vorschläge, wie die für die Reform erforderlichen gesetzlichen Grundlagen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie im Sozialgesetzbuch V geschaffen werden können. Danach soll der Gemeinsame Bundesausschuss mit der Erstellung von bundeseinheitlichen Vorgaben für eine Markt- und Versorgungsanalyse beauftragt werden, die als Basis für die zukünftige Krankenhausplanung der Länder dienen soll. Die Einführung einer Planung auf Grundlage von Leistungsbereichen und Leistungsgruppen kann laut dem Gutachten durch entsprechende Ergänzungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz umgesetzt werden.