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Ministerium regelt Förderung: Forscher sollen regelmäßig kommunizieren

11.02.2022 16:41
Die Öffentlichkeitsarbeits-Analysten des Deutschen Instituts für Forschungskommunikation (DIF) sehen die Forschungskommunikation in Deutschland vor einem zwangsweisen Umbruch. "Die aktuellen Schlussfolgerungen des Corona-Expertenrats der Bundesregierung nach mehr Professionalität sind ein Weckruf. Eine hochwertige Forschungskommunikation auch konsequent umzusetzen – das wird künftig auch durch Ministeriums-Maßgaben zum Muss", sagt DIF-Direktor Winfried Rauscheder.

Aktuelle Informationen aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) lassen Rauscheder, bis Mitte 2021 Europa-Kommunikator im Helmholtz- Zentrum München, zu dem Schluss kommen: Die Politik wird deutlicher als bisher auf eine umfassende Information der Öffentlichkeit durch die Wissenschaft dringen. Die Ampel-Koalition plane die Empfehlungen der Vorgänger-Regierung in klare Vorgaben zu gießen: „Bei ihrer Entscheidung über millionenschwere Fördergelder des Bundes werden die Fördergeber künftig deutlich genauer überprüfen, wieviel Wert die Antragsteller auf eine strategisch geplante Kommunikation ihrer Forschungsergebnisse legen - im wissenschaftlichen Umfeld ebenso wie in Medien und Öffentlichkeit,“ sagt Rauscheder.

Hintergrund: Am 31. Januar 2022 hat der Corona-Expertenrat der Bundesregierung dringende Verbesserungen in der Risiko- und Gesundheitskommunikation in Deutschland angemahnt. Diese müsse wissenschaftliche Evidenz einfach erklären, in Handlungsempfehlungen übersetzen sowie zur ersten Wahl für hilfreiche, verlässliche und verständliche Informationen werden.

Was bisher noch nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde: Schon seit Herbst 2021 müssen sich Forschungszentren, Hochschulen und andere Empfänger (wie Hochschulen oder private Unternehmen) von Bundesmitteln für Forschungsprojekte auf einen verschärften Konkurrenzkampf um die Gelder einstellen. Denn das BMBF macht nun mit einer Forderung ernst, die schon die Vorgänger-Regierung auf den Weg gebracht hatte: Die Forschungsförderung auf Bundesebene wird verstärkt von einer gezielten, verständlichen und wirksamen Kommunikation der Antragsteller abhängig gemacht. Im Klartext heißt das: Wer nicht schon im Förderantrag überzeugend darstellt, wie Forschungsansätze und Ergebnisse in die „Scientific Community“ und in den öffentlichen Raum kommuniziert werden sollen, wird künftig weniger Erfolg haben als andere Antragsteller, die diese Grundanforderung erfüllen. Das ergibt die DIFDetailanalyse der bisherigen Grundsatzpapiere des (früher CDU-, jetzt FDPgeführten) Bundesministeriums, des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung, der aktuellen BMBF-Website sowie direkter Aussagen aus dem Ministerium, wie diese: "Wissenschaftskommunikation ist seit Herbst letzten Jahres Bestandteil der Projektförderung des BMBF, die bestehende Verankerung von Wissenschaftskommunikation in der Projektförderung soll in der kommenden Legislaturperiode effektiv umgesetzt und innovativ gestaltet werden."

Im Detail erklärt das BMBF: "Antragstellende müssen mit ihrer Projektskizze ein Kurzkonzept für Wissenschaftskommunikation einreichen und entsprechend im Rahmen der Projektlaufzeit umsetzen. Ziel ist dabei auch, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser für Aufgaben der Wissenschaftskommunikation zu qualifizieren. Entsprechend können auch Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung gefördert werden."

DIF-Geschäftsführer Dr. Ralf Schneider: "Das ist ein echter Paradigmenwechsel, den ein Großteil der Wissenschaftslandschaft in Deutschland noch gar nicht zur Kenntnis genommen hat.“ Auf die gesamte Öffentlichkeit – wie im Fall Corona – werden die erhöhten Kommunikationsaktivitäten nach Schneiders Überzeugung nur zum Teil abzielen: „Es geht bei dieser Neuausrichtung auch um Veröffentlichungen in Fachmedien – und um die besser verständliche Präsentation von Forschungszielen und -ergebnissen mit Hilfe eigener Medien, sogenannter Owned Media wie Webseiten und Social Media“.

Ohne eine Strategie zur umfassenden Kommunikation werden nach der DIF-Analyse Projektanträge künftig schlechtere Chancen haben. "Natürlich haben große Einrichtungen wie Forschungszentren oder Universitäten schon heute eine gut funktionierende Infrastruktur mit Pressestellen, Websites oder Social-Media-Auftritte unterschiedlichster Art“, weiß DIF-Experte Rauscheder. „Aber auch sie werden sehr genau definieren müssen, mit welchen - zunehmend digitalen - Mitteln und Kanälen sie die Kommunikation an ihre vielfältigen Zielgruppen künftig noch effektiver gestalten wollen." Kleinere Einheiten wie Fachbereiche oder Hochschul-Institute werden ihre Anstrengungen massiv verstärken müssen.

Für Wissenschafts- wie Kommunikations-Verantwortliche enthält die DIF-Analyse aber auch eine gute Nachricht: Zusätzliche Kosten für die intensivere Kommunikation sollen nicht den Gesamtetat der Forschung schmälern. Dazu teilt BMBF-Sprecher Clemens Escher dem DIF mit: „Gibt eine Förderrichtlinie vor, dass geeignete Maßnahmen zur Wissenschaftskommunikation im Zusammenhang mit dem Forschungsprozess und den Forschungsergebnissen einzuplanen und darzulegen sind, so kann dies auch die Kompetenzentwicklung und Qualitätssicherung umfassen. Dies schließt Schulungen und andere Fortbildungsmaßnahmen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ein. Je nach Richtlinie können die anfallenden Ausgaben hierfür bei Antragstellung im Finanzplan eingeplant werden und müssen nicht zu Lasten anderer Maßnahmen gehen."