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Neue Ansätze für Grippeschutzimpfung notwendig – das System hat zu viele Baustellen

26.09.2019 18:55
Trotz vielfältiger Aufrufe zur Teilnahme an der Grippeschutzimpfung bleibt die Impfquote mit ca. 34 Prozent der anspruchsberechtigten Gruppen gering. Die WHO gibt eine Zielmarke von 75 Prozent vor. Die geringe Impfbeteiligung in Deutschland ist eine drängende Herausforderung – nicht nur wegen der Grippe-Erkrankungen selbst, sondern viel mehr noch wegen der oft dramatischen weiteren Gesundheitsfolgen, der Kosten für das Gesundheitswesen und für die Unternehmen. Führende Mediziner, Prof. Dr. Barbara Gärtner, Dr. Anja Kwetkat, Prof. Dr. Thomas Weinke und Prof. Dr. Klaus Wahle, haben sich jetzt zum „Projekt: Grippeschutz“ zusammengeschlossen, um systematisch die vorhandenen Schwachstellen im Verfahren der Grippeschutzimpfung zu entschärfen.

Influenza ist eine schwere Erkrankung und weitaus folgenreicher als die sonst im öffentlichen Brennpunkt stehenden Infektionskrankheiten wie Masern oder HIV. Die Lücke zwischen Präventionspotential und dem Ausschöpfen dieses Potentials ist riesig. Eine effektive Grippeschutzimpfung hilft nicht nur den Infizierten selbst, sondern verringert über den Herdenschutz die Ansteckungsgefahr. Die vier Initiatoren des „Projekts: Grippeschutz“ wollen sich der Aufgabe stellen, die Brüche im deutschen Impfwesen, die zur geringen Grippeschutz-Impfquote beitragen, systematisch zu beheben.

Prof. Dr. Thomas Weinke zählt mehrere Ansatzpunkte auf: „Eine Maßnahme allein reicht nicht; inzwischen hakt das eine negativ in das andere: die verbesserungswürdige Position der Ärzte, die zu wenig appellative öffentliche Kommunikation, die begrenzenden STIKO-Empfehlungen, die uneinheitliche Haltung der Krankenkassen und die Lieferbereitschaft der Impfstoffhersteller.“ In jedem Bereich fänden sich Hemmnisse für eine effektive Grippeimpfung. Prof. Barbara Gärtner weist auf den Ausgangspunkt aller Bemühungen hin, nämlich auf die hohe Krankheitslast der Grippe. Diese drückt sich nicht nur in einer vergleichsweise hohen Todesrate aus, sondern auch in den immensen Kosten für zusätzliche Arztbesuche und Krankenhauseinweisungen.

„Bei schweren Grippewellen können wir erfahrungsgemäß mit ca. 20.000 Todesfällen pro Saison als Folge der Grippe rechnen – darunter auch viele Kinder. Unter den Todesfällen findet man auch etliche zuvor völlig gesunde Personen. Grippe kann jeden treffen.“ Der Arzt, so Prof. Klaus Wahle, stehe als erster in der Pflicht: „In der ärztlichen Praxis muss der Patient vom Sinn der Grippeschutzimpfung überzeugt werden. Hierfür muss der Arzt besser ausgebildet sein, muss er von überkommenen finanziellen Risiken freigestellt sein und muss die Extrabürokratie für die Impfung abgebaut werden.“

Zudem spricht sich Prof. Wahle für die Standardimpfung über alle Risiko- und Altersgruppen hinweg aus: „Die sogenannte Indikationsimpfung verwirrt in der öffentlichen Wahrnehmung und baut Hürden im ärztlichen Alltag auf. Zusätzlich trägt zur Verwirrung bei, dass einige Krankenkassen im Gegensatz zu der STIKO- Vorgabe die Impfung aller Versicherten als Satzungsleistung erstatten.“ Am allerwichtigsten sei, dass zumindest die älteren Menschen – wie von der STIKO auch empfohlen und von allen Krankenkassen erstattet – möglichst zahlreich an der Grippeschutzimpfung teilnehmen, so Dr. Anja Kwetkat. „Eine Teilnahmerate von einem Drittel ist zu wenig. Die älteren Menschen sind einer Grippeinfektion doppelt ausgeliefert. Sie verfügen über eine verringerte Immunabwehr und leben vielfach in Gemeinschaften, in denen die Ansteckungsgefahr höher liegt. Die Ärzte sollten Impfstoffe zur Verfügung haben, die die Immunreaktion für die älteren Menschen gezielt verstärken. Das ist in Deutschland bisher nicht der Fall.“

Das „Projekt: Grippeschutz“ will sich in den nächsten Monaten in Einzelprojekten und in Kooperation mit den jeweils Verantwortlichen für ein stimmiges Optimierungspaket einsetzen.