PwC-"Healthcare-Barometer 2020": Patienten sind bereit für digitalen Dialog
„Deutschland galt lange als eine der führenden Gesundheitsnationen der Welt – und das zu Recht. Doch im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland in den vergangenen Jahren ins Hintertreffen geraten, weil es die Digitalisierung regelrecht verschlafen hat. Dieser Rückstand bei digitalen Technologien – in Kombination mit dem dramatischen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen – führt zu steigender Unzufriedenheit bei den Patienten. Daraus kann ein Thema erwachsen, das die politische Debatte künftig bestimmt wie heute bereits der Klimawandel. Deutschland braucht daher dringend eine nachhaltige eHealth-Strategie", sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland.
Das sieht die Mehrheit der Bürger in Deutschland ähnlich: Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen vorantreiben soll, verbinden sie hohe Erwartungen. So begrüßen die Versicherten, dass der Innovationsfonds bis zum Jahr 2024 mit 200 Millionen jährlich verlängert wird (80 Prozent), dass Verwaltungsprozesse digitalisiert werden (77 Prozent) und es Gesundheits-Apps auf Rezept gibt (74 Prozent). „Die eHealth-Strategie der Bundesregierung trifft auf breite Akzeptanz bei den Versicherten, weil sie sich davon konkrete Verbesserungen in der Versorgung erhoffen dürfen“, kommentiert Michael Burkhart.
Die Mehrheit der Bürger kann sich demnach gut vorstellen, auf digitale Kommunikationsformen umzusteigen: 76 Prozent würden das elektronische Rezept nutzen, 54 Prozent sind gegenüber der Videosprechstunde aufgeschlossen und 70 Prozent bestätigen, dass die Gesundheits-App auf Rezept eine gute Orientierung darüber gibt, welche Anwendungen einen wirklichen Nutzen haben. Die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber begrüßen sogar 87 Prozent.
Allerdings sehen die Bürger durchaus auch die Kehrseite der digitalen Kommunikation zwischen Arzt und Patient – sie machen sich Gedanken um die Nutzung ihrer persönlichen Daten. 93 Prozent fordern daher, dass Informationen nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung der Versicherten weitergegeben werden sollten, und 77 Prozent fürchten, dass ihre Daten an kommerzielle Anbieter übermittelt werden könnten. „Der Schutz von Patientendaten muss daher beim Ausbau der Telematik-Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen an oberster Stelle stehen“, so Michael Burkhart.
Auch wenn die Unzufriedenheit der Bürger mit dem deutschen Gesundheitswesen steigt – das Vertrauen in die eigene Krankenkasse ist davon unberührt. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zufriedenheit der Versicherten sogar leicht gestiegen: von 86 auf 88 Prozent. Acht von zehn Studienteilnehmern bestätigen, dass sie alle Leistungen bekommen, die für eine gute medizinische Versorgung notwendig sind. Dabei gibt es allerdings einen deutlichen Unterschied zwischen privat und gesetzlich Versicherten: 90 versus 79 Prozent.
Relativ zufrieden sind die Deutschen auch mit ihrer Krankenhauslandschaft. Immerhin jeder zweite Bundesbürger schätzt die Versorgung in deutschen Kliniken als gut oder sehr gut ein. Auffällig ist, dass Frauen kritischer auf Krankenhäuser blicken – gute Noten geben nur 44 Prozent der weiblichen Patienten gegenüber 58 Prozent der männlichen. Bei der Wahl des richtigen Krankenhauses ist der Hausarzt der wichtigste Ansprechpartner (55 Prozent), gefolgt von Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis (40 Prozent). Überraschenderweise folgen gerade die Digital Natives, die 18- bis 34-Jährigen, am meisten dem Rat der Freunde (51 Prozent). Bewertungsseiten im Netz und die Homepage der Klinik spielen bei dieser Zielgruppe nur eine untergeordnete Rolle (33 bzw. 34 Prozent).
Wie groß ist das Vertrauen in Pharmakonzerne? Die Medikamentenhersteller kämpfen seit langem mit dem Image, dass sie vor allem auf Gewinnmaximierung bedacht sind. Doch das Bild wandelt sich allmählich: Während 2014 noch 76 Prozent dieser Aussage zustimmten, sind es aktuell nur noch 68 Prozent. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, die Pharmakonzerne als innovative Unternehmen bezeichnen (2014: 15 Prozent; 2019: 19 Prozent). Die Erwartung, dass die Pharmaindustrie neue Produkte zur Krankheitsbekämpfung entwickelt, ist hoch: 69 Prozent der Bürger wünschen sich Innovationen, während nur 23 Prozent finden, dass die Branche sich auf die Entwicklung günstiger Generika konzentrieren sollte.
„Unsere Studie zeigt klar, dass den Bürgern Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente immer wichtiger werden. Gerade bei der Bekämpfung von Krebs und anderen schweren Erkrankungen sind der Branche dadurch bereits Durchbrüche gelungen", erklärt Michael Burkhart.